zum Hauptinhalt

Kultur: Zwölf Apostel – ein Gesicht

Die Heilige Versuchung im KunstWerk: ein deutsch-bulgarisches Jugendkunstprojekt

Stand:

„Oh, mein Gott“, werden die Puristen vielleicht sagen und sich angesichts von Spiderman und Frosch pikiert bekreuzigen. Kann man so mit Ikonen umspringen, die seit alters her Maria und Jesus und all“ den anderen Heiligen vorbehalten sind?

Man kann, wie die Ausstellung „Holy Temptation“ – die Heilige Versuchung – im KunstWerk zeigt. Frech und selbstbewusst stießen die Mitwirkenden des deutsch-bulgarischen Jugendkunstprojektes die Konventionen vom Sockel, ohne sie mit Füßen zu treten. Denn bevor sie sich an die Malerei heran wagten, setzten sie sich intensiv mit Inhalt und Technik der Ikonendarstellung auseinander. Und sie spürten auch den Unterschieden zwischen den Traditionen der Heiligenverehrung in Bulgarien und Deutschland nach.

Lyuben Kuleliev absolvierte ein freiwilliges europäisches Jahr im Bereich Kultur und hatte bei diesem Projekt im KunstWerk Potsdam die Fäden in der Hand. Er selbst erlernte die strikt festgelegte Technik an der Hochschule der Künste in Sofia und widmet sich nun speziell den unkonventionellen Kunstformen. Für ihn gehören Ikonen zum Lebensalltag, denn sie beschützen und trösten keineswegs nur alte Menschen. Und wenn Namenstage gefeiert werden, die in Bulgarien genauso wichtig wie Geburtstage sind, gibt es immer mal wieder auch die zum jeweiligen Tag gehörende Ikone als Geschenk. Auf seinen eigenen Namenstag, den 17. September, haben gleich drei Damen ihr wachsames Auge gerichtet: die Töchter der heiligen Sophia Glaube, Liebe, Hoffnung.

Am Anfang des Projektes beschäftigten sich die Jugendlichen mit den uralten Traditionen und erzählten sich die Geschichten der Heiligen. „Wir stellten auch fest, dass in der bulgarischen Ikonenmalerei Jesus den ersten Platz einnahm, während man in Deutschland Maria einen größeren Stellenwert beimaß.“

Und dann schritten die Jugendlichen selbst zur Tat, bespannten Holz mit Gaze, trugen Gips auf, den sie fein säuberlich schliffen. Auf dieser glatten, saugstarken Oberfläche trugen sie schließlich die Farbe auf – Schicht für Schicht: Rot für Blut, Braun für Erde, Gold für Gottes Licht. Stand die Technik fest, gab es beim Inhalt keine Einschränkung. Und für jeden waren andere Dinge heilig: für Carlos Reibitz eben Spiderman und für den Musiker Olaf Mücke der Frosch, dem er liebevoll madonnenhaft einen Heiligenschein verlieh, wie dem Froschkind auch. Nora Raetsch hingegen ließ sich auf die Ursprünge ein, klopfte Kupfer zu einem prächtigen Rahmen und ließ ganz ehrwürdig den Hl. Lucas darin miniaturenhaft erscheinen.

Im zweiten Teil des Projektes wurden die Jugendlichen selbst zu heiligen Bildern, stellten ausgewählte Szenen nach, die nun in Fotoreihen für Heiterkeit und Rätsel sorgen. Da gibt es die Lucia, das wunderschöne Wesen, dem die Männer nur so nachflogen. Doch ihr war das zuwider. So stieß sie sich ihre schönen Augen aus und überreichte sie ihrem Angebeteten. Doch Gott versah sie mit neuen Augen. So wurde sie zur Heiligen. Auf dem letzten „Abendmahl“ sind die zwölf Apostel nur von einer Person in ganz verschiedenen Posen dargestellt, während Jesus als Schaf das Ganze von oben betrachtet. Die Idee dazu hatte Orlin Dvorianov, ebenfalls von der Kunsthochschule Sofia.

Der Professor ist zugleich Leiter von „Art in action“, dem langjährigen Partnerverein des KunstWerks, der nun von der EU für dieses Projekt mit 3000 Euro unterstützt wurde. Lyuben erzählt indes von der Schwangerschaft Marias, die Josef derart in Rage versetzt, dass er seine Frau schlägt. Zum Glück eilen ihr die Engel zur Hilfe. Das Bild von der glücklichen Familie gerät bei ihm schon heftig ins Wanken. Diese „Heilige Versuchung“ piekst mitten ins Leben hinein. Heidi Jäger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })