ZUR PERSON: „15 Prozent reichen mir nicht“
Axel Zinke, parteiloser Bürgermeister von Seddiner See, stellt sich am 10. Januar erneut zur Wahl – Gegenkandidaten hat er keine
Stand:
Am kommenden Sonntag wählen die Bürger der Gemeinde Seddiner See ihren Bürgermeister. Sie als Amtsinhaber sind der einzige Kandidat. Sind sie froh darüber?
Es hat Vor- und Nachteile. Wenn es mehrere Bewerber gibt, dann kann man von einer relativ hohen Wahlbeteiligung ausgehen, bei nur einem entsteht oft beim Bürger der Eindruck: „Der wird sowieso gewählt, deshalb brauchen wir gar nicht hinzugehen.“ Das zeigen Erfahrungen aus anderen Gemeinden. In Kloster Lehnin waren es beim letzten Mal nur 33 Prozent, in Wiesenburg nur 36.
Aber 15 Prozent würden doch reichen?
Mir persönlich reicht das natürlich nicht, denn die Leute sollen mit ihrer Stimme zum Ausdruck bringen, wie sie die letzten acht Jahre bewerten und ob sie ihren Bürgermeister behalten wollen. Man hat nicht oft die Möglichkeit, die Stimmung in der Gemeinde abzurufen – außer vielleicht in Einzelgesprächen, und die führe ich regelmäßig.
Wie ist denn die Stimmung in der Gemeinde nach acht Jahren Axel Zinke?
Als ich damals anfing, hatten wir ja gerade zwei Bürgermeister innerhalb von nur acht Jahren abgewählt. Es war ein sehr instabiler Zustand: Es gab viel Unsicherheit in der Verwaltung und Streit in der Gemeindevertretung. Bei vielen Projekten herrschte Stillstand. Ich habe versucht, meinen eigenen Stil und meine Lebenserfahrung einzubringen. Ich denke, es ist mir gelungen, ein Klima zu erzeugen, das die Leute vorantreibt. Ein vernünftiges Verhältnis zu den Mitarbeitern ist das Wichtigste – in der Verwaltung wie in der freien Wirtschaft. Als ich im Juli meinen 54. Geburtstag feierte, haben meine Mitarbeiter nicht mir, sondern sich etwas gewünscht: Dass ich Bürgermeister bleibe.
Wie sieht es in der Bevölkerung aus?
Die Identifikation mit der Gemeinde ist gewachsen. Das spiegelt sich in einem unwahrscheinlich großen bürgerlichen Engagement wider. Zum Beispiel die Badestelle in Seddin: Hier hat sich jetzt eine Interessengemeinschaft mit 20 Einwohnern gegründet. Sie haben ein Konzept vorgelegt und wollen den Betrieb künftig selbst in die Hand nehmen. Es sind auch die Bürger, die demnächst eine Verkaufsstelle in Seddin eröffnen wollen. Hier sollen dann Waren und Dienstleistungen angeboten werden. „Der Dorfladen“ ist ein Modell aus den Alten Bundesländern und bislang einzigartig in Brandenburg. Auch in den beiden noch sehr jungen Ortsbeiräten – der in Seddin ist vor einem Jahr und der in Kähnsdorf vor ein paar Monaten gewählt worden – geht es richtig voran.
Was haben Sie selbst aus den vergangenen acht Jahren als Bürgermeister gelernt?
Das Wichtigste ist, dass man sich nicht verbiegt oder etwas verspricht, das man nicht halten kann. Die Menschen können eine Menge vertragen, und wenn man ihnen sagt: „Das geht jetzt nicht“, und erklärt es, dann sehen sie es auch ein. Wenn es notwendig ist, mache ich das unheimlich gerne: Dinge erklären. Sich selbst muss man feste Regeln setzen. Meine sind: Die Wahrheit sagen und alle gleich behandeln. Das hat mir sehr geholfen.
Was können Sie denn den Bürgern für den Fall ihrer Wiederwahl versprechen?
Begonnene Projekte werden natürlich fortgeführt, zum Beispiel der Straßenbau. Wir haben in Neuseddin sehr viel gemacht und wollen uns nun auf Seddin und Kähnsdorf konzentrieren. Weiter geht es auch mit dem Seddiner See: In den vergangenen Jahren haben wir die Wassergüte verbessert, mit dem Überleitungsprojekt aus der Nieplitz soll es nun um die Menge gehen. Ansonsten sind wir mit dem Baulichen weitgehend durch. Wir haben zwei Gerätehäuser für unsere Feuerwehren errichtet und unsere Schule samt Schulhof saniert. In Zukunft geht es mehr um Inhalte. In unseren Kitas führen wir ein Qualitätsmanagement ein, unsere Schule ist seit September Verlässliche Halbtagsgrundschule, die wir nun mit den zusätzlichen Angeboten qualifizieren wollen. Im Januar wird auch noch ein Eltern-Kind-Zentrum eröffnet.
Wie geht es mit dem Gelände der ehemaligen Entenfarm weiter?
Der Investor des Baugebietes Mühlenberg II nebenan hat sich ja vor drei Jahren bereit erklärt, zumindest die massiven Gebäude abzureißen, damit es dort nicht mehr so schlimm aussieht. Dafür hat die Gemeinde den Flächennutzungsplan geändert und einen Bebauungsplan für den Mühlenberg aufgestellt. Die Trägerbeteiligung ist gerade abgeschlossen, im Sommer könnte der erste Spatenstich erfolgen. Der Entwurf für einen städtebaulichen Vertrag liegt jetzt vor und wird zusammen mit den Einwendungen zum Bebauungsplan Anfang dieses Jahres in den Gremien behandelt. Für die Entenfarm als Ganzes hat sich niemand gefunden, der das finanzielle Wagnis der Entsorgung und Bebauung eingeht.
Mit der Stadt Beelitz teilen sie sich den Zweckverband, Michendorf ist Anrainer des Seddiner Sees. Wie sieht die Zusammenarbeit mit diesen Kommunen aus?
Es gibt viele Themen, die wir gemeinsam diskutieren, zum Beispiel die Breitbandversorgung. Ich bin sehr glücklich, dass jeder Bürger in der Gemeinde im kommenden Jahr DSL bekommen wird. Zum Teil lassen wir es – wie die Beelitzer – aus EU-Mitteln fördern, für Neuseddin setzen wir Geld aus dem Konjunkturpaket ein. Mit Michendorf läuft gerade eine Zusammenarbeit zwischen den Kegelclubs: Künftig sollen Lok Seddin und der Purzelmann e.V. in Michendorf zusammen kegeln, wenn dort eine neue Anlage gebaut worden ist. Darüber hinaus treffen sich die Bürgermeister regelmäßig, auch Kerstin Hoppe aus Schwielowsee, Werner Große aus Werder und Gerhard Ling aus Nuthetal sind dabei. Ich habe 2004 die Initiative ergriffen und alle fünf eingeladen. Mittlerweile ist ein enges Verhältnis daraus geworden.
Ihre Nachbargemeinden haben sich in den Jahren nach der Wende vom Zuzug aus den Städten profitiert. In Seddiner See ist die Einwohnerzahl konstant bei etwas mehr als 4000 geblieben. Warum?
Bei uns war die Fluktuation stärker. Aus den Neubauwohnungen in Neuseddin sind viele fortgezogen. In den 1990ern ging der Trend zum Reihenhaus, dafür hatten wir im Ort aber keinen Platz. Wir haben stattdessen die Plattenbauwohnungen von der Treuhand übernommen und saniert. Die Wohnungen sind nicht leer, es leben nur weniger Menschen darin als früher. Der Platzbedarf ist größer geworden. Trotzdem wird noch Einiges in der Gemeinde passieren: Von den 72 Parzellen im Lindenring in Neuseddin, die wir vor drei Jahren ausgewiesen haben, sind mittlerweile 90 Prozent verkauft. In Seddin haben wir zwei Wohnbauflächen für je 30 bis 40 Häuser. Man braucht solche Entwicklungen nicht erzwingen, es ist ein Selbstläufer – zumal wir eine gute Autobahn- und Zuganbindung haben.
Welche Chancen liegen im Tourismus?
Wir sind keine Tourismusgemeinde wie es zum Beispiel Schwielowsee anstrebt. Vom Fremdenverkehr lebt bei uns kaum jemand. Stattdessen geht es um die Menschen, die hier wohnen und jene, die am Wochenende zu Besuch kommen. Die vier Badestrände sind in einem guten Zustand und werden gut angenommen. Im Rahmen des Deutschen Wandertages 2012 wollen aber auch wir Angebote schaffen, zum Beispiel Unterkünfte und Wandermöglichkeiten. So soll der Rundweg um den See hergerichtet werden – ein Vorhaben, das durch die aktuelle Steg-Diskussion ins Stocken geraten ist.
Dabei geht es um Korruptionsvorwürfe gegen den früheren Leiter der Unteren Wasserbehörde, der im Alleingang einen 40 Meter langen Steg genehmigt haben soll und gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wie bewerten sie diese Vorwürfe?
Aus meiner Sicht ist die Diskussion völlig harmlos. Es geht ja darum, dass keine Baugenehmigung für den Steg beantragt wurde. Das muss man bei Privatstegen auch nicht machen, da reicht der Antrag bei der Unteren Wasserbehörde. Nur bei gewerblichen Stegen müssen beide Behörden befragt werden. Gewerblich heißt ja, dass jemand Einnahmen erzielen will und das wurde im Antragsverfahren ausgeschlossen. Dass der damalige Leiter der Unteren Wasserbehörde eine Beraterfunktion für den Golfclub selbst gehabt haben soll, halte ich für unwahrscheinlich. Es gibt ein kompliziertes Wassermanagement für die Teiche auf dem Golfplatz und für die Peliconanlage am Seddiner See. Der Landkreis ist da seit Jahren beteiligt. Daraus hat man diesen Vorwurf dann wohl abgeleitet.
Inwieweit ist die Gemeinde an dem Bauvorhaben beteiligt?
Im September 2008 hat der Golfclub bei der Gemeinde als Eigentümerin des Seddiner Sees angefragt, ob es Einwände gegen einen Stegbau gäbe, an dem sie ihre Ruderboote festmachen können. Wir haben das in der Verwaltung diskutiert und gesagt: Uns ist wichtig, dass zumindest ein Teil des Steges öffentlich zugänglich ist, dass wir ansonsten aber einverstanden sind. Daraufhin erklärte der Golfclub seine Bereitschaft, sich am Ausbau eines Teilstückes des Rundwanderweges um den Seddiner See zu beteiligen. Es handelt sich dabei um eine Strecke von 1,2 Kilometern. Die Gemeinde hat 30 000 Euro für das Baustoffmaterial im Haushalt 2009 eingeplant, der Golfclub würde den Ausbau übernehmen. Das könnte nun hoffentlich im kommenden Jahr passieren.
Das Interview führte Thomas Lähns
Axel Zinke (54) ist seit acht Jahren parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Seddiner See. 2002 hatte er sich überraschend als Einzelbewerber mit 57,6 Prozent der Stimmen gegen drei Gegenkandidaten durchsetzen können. Der Diplom-Staatswissenschaftler und gebürtige Babelsberger kam 1984 nach Neuseddin. Er arbeitete zunächst beim Rat des Kreises und später bei der Abteilung „Technische Basis“ des Ministeriums für Bauwesen. Nach der Wende wurde er Niederlassungsleiter einer Immobilienfirma in Neuseddin. Zinke ist verheiratet, hat zwei Kinder und eine Enkeltochter. lä
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