Trotz Zweifeln gegen den Angeklagten: 27-jähriger Somalier nach Angriff verurteilt
Teltow - Eine Narbe in seiner Wange erinnert Ibrahim N. (*Namen geändert) täglich an den 22.
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Teltow - Eine Narbe in seiner Wange erinnert Ibrahim N. (*Namen geändert) täglich an den 22. Oktober 2015. Laut seinen Angaben wurde der 23 Jahre alte Flüchtling aus dem Tschad an jenem Tag gegen 18 Uhr beim McDonalds in der Potsdamer Straße von drei anderen Flüchtlingen nach Marihuana gefragt. Nachdem er verneinte, fingen sie an ihn zu schlagen – und ein Angreifer stach ihm eine abgeschlagene Flasche in die Wange. Die fünf Zentimeter lange Wunde musste noch am selben Tag genäht werden.
Am gestrigen Dienstag wurde ein für die Tat angeklagter Somalier am Amtsgericht Potsdam zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt – obwohl der 27–jährige Adan K. den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung vehement bestritt. Doch die Vorsitzende Richterin Doris Gruetzmann sah die Tatvorwürfe gegen den nicht vorbestraften Mann als erwiesen an. Dagegen kündigte die Verteidigerin des Angeklagten, Verena Duchow, gleich nach dem Urteil an, Rechtsmittel gegen den Richterspruch zu prüfen. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr Bewährungsstrafe für den Mann gefordert, der seit zwei Jahren in Deutschland lebt – ohne seine Frau und seine vier Kinder, die in Somalia leben.
Denn aus Sicht der Potsdamer Anwältin Duchow ist die Tatbeteiligung ihres Mandanten längst nicht erwiesen. Die Verurteilung beruhte einzig auf Zeugenaussagen, objektive Beweise wie Fingerabdrücke an zum Beispiel der besagten Flasche waren laut Duchow im Zuge der Ermittlungen der Polizei nicht genommen worden. So musste sich das Gericht einzig auf die Erinnerung des Angriffsopfers Ibrahim N. verlassen. Doch gegen den Mann läuft ebenfalls ein Verfahren wegen Körperverletzung – er soll wiederum den jetzt Verurteilten K., den N. einige Wochen nach dem Flaschenstich wiedererkannt haben will, dann mit einem Messer in den linken Arm gestochen haben. Wegen dieses anderen Verfahrens bestehe eine hohe Belastungstendenz gegen ihren Mandanten, machte Duchow im Gerichtssaal deutlich – daher zweifle sie an der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen. Im Zweifel müsse der Angeklagte freigesprochen werden, so die Verteidigerin.
Doch Richterin Doris Gruetzmann und der Vertreterin der Staatsanwaltschaft reichten die Angaben von Ibrahim N. – zumal es noch einen weiteren Zeugen gab. Der Teltower Handwerker Jens W. war zur Tatzeit mit seinem Wagen unterwegs, sah am Straßenrand, dass drei Männer auf einen anderen einschlugen. Daraufhin sei er mit seinem Auto umgedreht und habe den blutenden N. in die nur ein Dutzend Meter entfernte Polizeiwache gebracht. Dann sei er nochmals zurückgefahren, zu diesem Zeitpunkt habe er auch den Angeklagten dort gesehen, vor allem dessen langer Mantel blieb ihm im Gedächtnis. Die eigentliche Tat habe er aber nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen, so der Helfer. Und die von ihm alarmierten Polizisten seien erst einige Zeit später am Tatort eingetroffen, kritisierte der Zeuge weiter. Auch Anwältin Duchow monierte, die beiden im Prozess als Zeugen gehörten Polizisten hätten leider nichts zur Aufklärung beitragen können. So blieben auch die Identitäten der beiden anderen Schläger unklar, wie es weiter hieß.
Und dann wurde auch noch eine andere Frage gestellt. „Wie kamen die Männer eigentlich darauf, dass Sie Marihuana haben könnten?“, wollte die Staatsanwaltschaft von dem Angriffsopfer Ibrahim N. wissen. Dieser sagt, es sei eben allgemein bekannt, dass viele Leute im Asylheim derlei Drogen rauchten. „Ich habe damit aber nichts zu tun“, versicherte er allerdings. Er sei nur wegen des freien W-Lans vor Ort gewesen, um im Internet zu surfen.
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