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Altanschließer in Potsdam-Mittelmark: Ab 2000 Pech gehabt

Experte kritisiert: Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum Thema Altanschließer besteht Ungleichheit im Land

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Teltow / Nuthetal - Was tun nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes zu den Altanschließern? Die Frage stellt man sich derzeit in vielen Kommunen und Zweckverbänden des Landes. „Die Rechtslage zum Thema Kanalbeiträge in Brandenburg gleicht den Wrackteilen eines untergegangen Schiffs, die noch auf dem Wasser treiben“, sagt Ingo Zeutschel. Der Rechtsanwalt der „Nuthetaler Interessengemeinschaft Wasser und Abwasser“ sieht die Landesregierung in der Pflicht, ein neues Schiff auf Kurs zu bringen und die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes nachzubessern.

Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe war klar: Bei der Abrechnung von Kanalbeiträgen ist in Brandenburg seit der Wende großes Unrecht geschehen, wurde gegen den Vertrauensschutz und das Rückwirkungsverbot verstoßen. Nach der Umsetzung des Richterspruchs durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am Donnerstag sei allerdings kaum noch vermittelbar, wie Brandenburgs Kommunalabgabenrecht in Zukunft funktionieren soll, sagt Zeutschel.

Da die beiden verhandelten Cottbuser Fälle sich auf einen Zeitraum vor dem Jahr 2000 beziehen, könnten sich zwar die meisten Betroffenen über Rückerstattungen freuen. Diejenigen aber, die ihren Kanalanschluss erst ab dem 1. Januar 2000 bekamen, stünden noch immer vor einer erheblich verlängerten Frist von bis zu 15 Jahren, in der Beiträge erhoben werden durften, so Zeutschel.

Das dies Bestand haben wird, bezweifelt er. Von einer Gleichstellung der Bürger könne erst wieder die Rede sein, wenn weitere Gruppen von Beitragszahlern Rückerstattungen erhalten. „Den Bürgern wird auch nicht zu vermitteln sein, dass derjenige der Dumme sein soll, der auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides vertrauend widerspruchslos gezahlt hat.“

Juristischer Knackpunkt war, ist und bleibe eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes durch den Landtag im Jahr 2004, sagt Zeutschel. Damit war beabsichtigt, die vierjährige Verjährungsfrist für den Kanalanschluss nicht mehr mit der ersten Kanalbeitragssatzung beginnen zu lassen, sondern erst mit der ersten „rechtswirksamen“ Satzung. Rechtliche Risiken im Satzungswerk der Verbände seien auf die Verbraucher übertragen worden, kritisiert er. Hinzu kam eine zehnjährige „Hemmfrist“ bis zum Jahr 2000. „Über dies alles wird man sich neue Gedanken machen müssen“, sagt der Nuthetaler Anwalt. „Gut beraten werden die Verbände sein, die gemeinsam mit den Altanschließerinitiativen und deren rechtlichen Vertretern nach neuen tragbaren Lösungen für die Zukunft suchen.“

Dass die Rechtslage für Kommunen jetzt keineswegs geklärt ist, hat auch eine Diskussion in der Teltower Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend gezeigt. Es gibt mehr Fragen als Antworten, während den Teltower Zweckverband täglich Schreiben und Anrufe erreichen, in denen die Erstattung gezahlter Beiträge gefordert wird. Der Zweckverband Teltow hatte seine Widerspruchsverfahren für Altanschließer ruhend gestellt, es bekommen nach dem OVG-Beschluss vom Donnerstag also zumindest alle Geld zurück, deren Beiträge vor 2000 erhoben wurden und die Widerspruch eingelegt haben. Die Verbandsversammlung will sich am 24. Februar dazu verständigen.

Aber kommt man damit bei den Bürgern durch? Viele Stadtverordnete sehen den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Über einen Beschlussantrag von Andreas Wolf (BfB) zur Rückzahlung aller Altanschließerbeiträge inklusive Zinsen wurde nicht abgestimmt, Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) warnte vor Schnellschüssen. Hans Peter Goetz (FDP) hat den Eindruck, dass sich die Landesregierung wegduckt, nachdem sie beim Umgang mit Altanschließern Chaos angerichtet habe. Eine politische Lösung wurde gefordert, sollte der Verband durch Rückzahlungen in Schieflage geraten. Es geht allein im Teltow-Verband um Beiträge im Umfang von rund neun Millionen Euro. Die Landesregierung sei da in der Pflicht, hieß es.

Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer kritisierte gestern, dass bestandskräftige Bescheide vom Urteil des Oberverwaltungsgericht nicht erfasst sind. Es sei unmoralisch, unrechtmäßig eingetriebene Gelder einzubehalten, so ein Verbandssprecher. Er empfahl allen Betroffenen – auch jenen, bei denen nach 1999 nacherhoben wurde –, mit Verweis auf das Urteil aus Karlsruhe und den Gleichheitsgrundsatz ihr Geld zurückzufordern. Die Eingabefrist endet aus Sicht der Verbandsjuristen drei Monate nach Urteilsverkündung am 16. März.

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