KulTOUR: Ächte Kanonenkugeln aus Teltow!
Stahnsdorf - Nach dem frühen Tod des weit gereisten Weltbeschauers, Journalisten und Verlegers Guido Zenkert im Januar geht es mit dem von ihm begründeten „Heimatmagazin“ Gott sei Dank weiter. Ob der traurigen Umstände gab es da zwar eine Pause, doch ist es nicht ein Zeichen von Anerkennung und Qualität, wenn andere solch ein Werk fortsetzen wollen?
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Stahnsdorf - Nach dem frühen Tod des weit gereisten Weltbeschauers, Journalisten und Verlegers Guido Zenkert im Januar geht es mit dem von ihm begründeten „Heimatmagazin“ Gott sei Dank weiter. Ob der traurigen Umstände gab es da zwar eine Pause, doch ist es nicht ein Zeichen von Anerkennung und Qualität, wenn andere solch ein Werk fortsetzen wollen? Das haben Manfred Pieske und Frank-Jürgen Seider übernommen, zwei seiner Mitstreiter, denn mal ganz ehrlich: Ohne das seit 2008 erscheinende Periodikum würde dem alten Hochland namens Teltow etwas fehlen. Außerdem ist das Doppelheft 2015/16 nicht nur optisch eine ganz besondere Schönheit geworden, mit der Verlagsbuchhandlung „Buchkontor Teltow“ konnte auch ein starker Partner hinzugewonnen werden. Moderneres Layout also, eine deutlich verbesserte Bildqualität im Vierfarbendruck, klug geordnete Wortbeiträge und nicht zuletzt mehr Inhalt zum gleichen Preis. Dabei ist das Entree eine weltläufige und einfühlsame Hommage an Guido Zenkert: Ideen- und Erlebnissplitter aus Chile, Australien und Afrika, von ihm selber aufgeschrieben, oder durch den Freund und neuen Herausgeber Manfred Pieske in einen Nachruf gepackt, der gar keiner sein will. Das rührt schon an.
Das schicke Doppelheft ist in diverse Rubriken gegliedert, zum Beispiel „Mobiles“ mit Aufsätzen zu hundert Jahre Friedhofsbahn oder über die Berliner Straßenpostwagen, dies ein Nachdruck aus der guten alten „Gartenlaube“. Unter „Örtliches/Lokales“ erfährt man nicht nur, wie Teltows Bürgermeister jüngst zu seiner Amtskette kam, man geht auch der Frage nach, wie groß denn eigentlich Klein Glienicke sei, damals noch zum Landkreis Teltow gehörend. Kurios und zugleich höchst historisch ist der Bericht über das Erbbegräbnis derer von Hake zu Kleinmachnow. Natürlich wird auch die jüngere Zeitgeschichte nicht vergessen: Wer weiß denn noch, wie es sich einst im Schatten der Mauer lebte? Zwischen den Werken begnadeter Heimatforschung finden sich mehr oder weniger anonyme Huldigungsgedichte, die zwar nicht immer ganz toll, aber liebenswert sind.
„Biographisches“ (ja, hier wird das noch mit „ph“ geschrieben!) ist dem Berliner Bildhauer Ferdinand Lepcke und der kürzlich verstorbenen Emma Maria Lange gewidmet, und man erfährt, wie der Teltower Bäckermeister Neuendorff aus einer echt-historischen Kanonenkugel eine „ächte“ nach seiner Art machte, gar nicht so lange her. Als Grenzland zu Berlin gehört auch die Rubrik „Stadtränder“ mit einem Stimmungsbericht zum Teltowkanal und einem Aufsatz zum Steglitzer Stadtpark dazu. Er wurde 1906 auf dem Altmannschen Gelände „zur Erholung der Bevölkerung“ geschaffen, ein echter Volkspark mit „tadellosem Rasen, Spielplätzen und Planschbecken“.
So liest man sich durch die über 200 Seiten, allesamt gut geschrieben und auf besserem Papiere gedruckt. Eine Wohltat mal wieder. Eine mit Sammlerwert, die sich, vielleicht zusammen mit dem schicken Kalender „Teltower Land“, als originelles Geschenk für den Gabentisch eignet. Ein Schwergewicht unter seinesgleichen! Es steht ja noch sehr viel mehr drin, als hier angezeigt wird. Man staunt einfach, wie unerforscht die Geschichte doch ist, würde es sonst so viel Neues zu entdecken geben? Wie dem auch sei, dass Schulbanknachbar Zenkert sein „Heimatmagazin“ nicht weiterführen kann, ist schon traurig, dass es aber weitergeführt wird, ist hoch zu loben! Gerold Paul
Manfred Pieske, Frank-Jürgen Seider (Hsg.), „Heimatmagazin 2015/16“, 210 Seiten, 12 Euro
Gerold Paul
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