KulTOUR: Adam mit Eva und Apfel
Der Maler Carl Timner im Fährhaus Caputh
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Schwielowsee - Manchmal freut man sich, einen „alten Bekannten“ nach so langer Zeit wiederzusehen. Anfang 1984 zeigte das Potsdamer Kulturhaus „Hans Marchwitza“ eine Werkschau des Westberliner Malers Carl Timner. Seine Haltung war damals streng links, Ästhetik und malerisches Können jedoch blieben in guter Erinnerung: Wie aus dem Hintergrund geschälte, sehr plastische Figuren, exzellente Grafik, Landschaften. Nun kann man den inzwischen Gesamtberliner am Fährhaus Caputh wieder in seinen Bildern sehen. Wegen ihm rückte Galerist Norman Müller sogar ein wenig von seinem Credo, Künstler der Umgebung auszustellen, ab, er zeigt ja sowieso nur, was ihm auch selber gefällt. Der Künstler, Jahrgangs 1933, hatte es ihm augenblicklich angetan.
Carl Timner war eigentlich immer ein Nord-Süd-Mann, auch wegen seiner Frau Clara, einer Umbrierin. Er hat nicht nur lange in Rom gelebt, sondern auch seine Gesellenjahre in Italien verbracht, bei Renato Guttuso, bei Corrado Cagli. Von der abstrakten Kunst verabschiedete er sich schon 1962. Neorealismus, sagte man damals. Seitdem hält er es mit dem prallen Menschenleben. Er liebt die Darstellung lebhafter Figurengruppen in Öl, große Gesten, und immer wieder Akte. Ein Maler mit dem Credo, direkt auf die Menschen einwirken zu wollen, möglichst ohne „Verschlüsselungen“.
Norman Müller hat nicht die „dunklen“ Bilder von Krieg für diese Personalausstellung ausgewählt, sondern Werke, in denen Schönheit ist, Leben oder Stille. Die Spiegelungen einer Baumgruppe im Wasser, treibendes Laub auf einem See, ein Ufer mit Schilf, nicht zuletzt das großflächige Triptychon der Sonnenblumen, so lebendig, wie selten gesehen. Das ist der eine Timner. Ein anderer ist der Aktmaler und –zeichner. Ein dunkel getönter, ziemlich nobler Rückenakt hängt in der Galerie, man kann aber eine Mappe mit Kreidezeichnungen beim Galeristen einsehen, sehr schöne Arbeiten.
Neben einigen eher „untypischen“ Stillleben („Zwiebeln“) gibt es die für ihn typischen Sujets: zwei Köpfe ohne Hintergrund, mit gebannter Freude auf etwas schauend, was der Betrachter nicht sieht. Eine gleichsam umgekehrte Pieta: Der nackte Jüngling trägt seine unbekleidete Eva in lüsterner Absicht, sie einen Apfel in der Hand. Raffinierte Weißungs-Effekte. Oder eine Damenkapelle, die Trommlerin im Vordergrund oben ohne, indes sich rechts und links zwei Figuren anschicken, das Bild zu verlassen. Hinter der Trommel wird eine Schalmei geblasen. Vielleicht war es zu laut. Diese ausdrucksvoll gestalteten Gesichter vergisst man nicht, auch wenn die Bilder unbetitelt bleiben sollten.
Realismus heißt bei Timner, das Wesentliche heraus- und nach vorne zu heben, während alles andere unter monochromen, meist dunklen Farbschichten zu den Bildrändern hin verschwindet. Diese Technik hatte schon sein Lehrer Guttuso verwendet, er lernte auch von Velasquez, Courbet und der Kollwitz. Er malte eine Frau in altmodischem Unterzeug, aus dem Fenster schauend, nur war da keine Renaissance-Kulisse, sondern Altberliner Hinterhof. Ähnlich bei der Watenden, einer „Anleihe“ aus Frankreich. Lebensgroß ein italienischer Arbeiter in Halbrückenansicht – „Starschy rabotschy“ ist auf den Rahmen geklebt, ein Hinweis, wo dieses Bild schon mal war.
Handwerklich perfekt, ästhetisch „trotz“ seines Realismus sehr vielseitig, der „Wilmersdorfer mit italienischer Frau“ erweist sich stets als Könner seines Fachs. Norman Müller ist zufrieden: „Die Ausstellung passt zum November“.
bis zum 6. Dezember, Samstag und Sonntag von 13 bis 17 Uhr
Gerold Paul
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