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KulTOUR: „Alles drin“

Ein Taschen-Buch wurde in Töplitz geöffnet

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Werder · Töplitz - Zwei Menschen begegnen sich, ein Mann, eine Frau, einander fremd und doch vertraut. Als er mehr über sie wissen möchte, breitet sie den Inhalt ihrer Handtasche aus. Die Filmszene aus Krzysztof Kieslowskis „Die zwei Leben der Veronika“ brachte drei Berlinerinnen auf die Idee, Geschichten aus Handtaschen zu erzählen. Ein Geschenk sollte es werden für eine gemeinsame Freundin – so baten sie Menschen aus ihrem Umfeld, Einblick in das Innere ihrer Taschen nehmen zu dürfen. Was sie fanden und zu Erzählungen verarbeiteten, sammelten Christiane Wirtz, Elisabeth Klink und Stefanie Giersdorf im Buch „Alles drin“ (Hoffmann und Campe), das sie jetzt in der Galerie Töplitz vorstellten.

Einige derer, die ihre persönlichen Utensilien als Inspirationsquelle hergegeben hatten, waren zur Lesung gekommen – neugierig zu erfahren, was aus so alltäglichen Dingen wie Brillenputztuch und Feuerzeug, Pillendöschen, Lippenstift, Notizzetteln, Tickets, Rechnungen oder Visitenkarten werden kann, wenn man ihren Geschichten freien Lauf lässt. Für Christiane Wirtz ist es ein fehlendes Taschentuch, das sie ins Grübeln bringt, welche der Sachen, die sie täglich bei sich trägt, wesentlich sind und was immer parat sein sollte. Am Ende ist es der Schlüssel zum eigenen Refugium, in dem sie ganz sie selbst sein kann.

Elisabeth Klink zeigt sich fasziniert von einem Papierschiffchen, nach der Bastelanleitung eines Überraschungseis gefaltet. In ihrer Geschichte vermag es eine Liebe nicht zu tragen, geht kläglich unter. Schwarzen Humor beweist Stefanie Giersdorf. Sie fühlt sich von einem harmlosen Schweizermesser bedroht, das in dunklen Phantasien zur Mordwaffe mutiert.

Die Autorinnen spielen mit den Möglichkeiten, die den Dingen innewohnen. Sie tun es auf luftige Art, oft mit einem Schlenker ins Nachdenkliche, manchmal ins Traurige. Es sind Miniaturen des Alltags, winzige Begebenheiten, flüchtige Begegnungen, die ein Gefühl, eine Erinnerung, einen Gedanken auslösen. In „Alles drin“ sind sie festgehalten, noch bevor sie sich verflüchtigen oder bei der nächsten Inventur ausrangiert werden.

Die drei Frauen sind keine Schriftstellerinnen. Wenn sie nicht gerade in fremde Handtaschen schauen, gehen sie ordentlichen Berufen nach: Christiane Wirtz ist Sprecherin im Bundesjustizministerium, Elisabeth Klink führt die Geschäfte des Seminars für Waldorfpädagogik und Stefanie Giersdorf leitet die Kommunikationsagentur studio adhoc. Ihr verdankt das Buch nicht nur die drei skurrilsten und poetischsten Geschichten, sondern auch seine verblüffende Gestaltung.

Während der Inhalt der Handtaschen am Beginn jeder Erzählung detailliert aufgelistet und spitzfindig illustriert wird, bleiben die fotografischen Portraits der Eigentümer in der Japanbindung verborgen. Wer sie dennoch anschauen möchte, muss die geschlossenen Seiten aufschneiden oder wie eine Tasche einen Spalt weit öffnen und hineinlinsen.

Ein Buch wie dieses mit einer Lesung in der Galerie zu präsentieren – das war für den Töplitzer Havel-Land-Art e.V. ein Versuch, der auf Anhieb glückte. Natürlich zogen die Autorinnen ein Gefolge an Freunden, Kollegen und Wegbegleitern aus der Metropole in das ländliche Töplitz. In der kleinen Galerie aber mischte sich unter das Berliner Publikum auch ein getreues Grüppchen Einheimischer, die die Konzerte und Ausstellungen des Vereins seit Jahren zu schätzen wissen – eine reizvolle und sympathische Melange.

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