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Potsdam-Mittelmark: alles nur geklaut

Die Porzellanmanufaktur Adam & Ziege stellt Fälschungen aus – Plagiate ihrer eigenen Produkte

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Stahnsdorf/Kleinmachnow - Beim ersten Mal war es noch nett. Geschmeichelt habe sich Stephan Ziege gefühlt, als er vor acht Jahren in einem Katalog für Schaufensterdekorationen einen Hasen aus Pappmaché entdeckte, der das identische Abbild der Porzellanfigur aus der Manufaktur Adam & Ziege war. Kein Zweifel: Original „Horst“ mit den blauen Ohren aus Güterfelde stand Modell für den Katalog. Gefragt hatte bei Adam & Ziege allerdings niemand.

Das Hasen-Plagiat blieb kein Einzelfall. Immer wieder tauchen aus dem Porzellan-Tierpark von Adam & Ziege billige Kopien auf. In einer Supermarkt-Kette erschienen 2003 gleich sechs kopierte Artikel aus der Produktpalette der beiden Designer: 16 000 nachgemachte Artikel standen in den Regalen. Ein Jahr später verkaufte ein anderer Discounter tausendfach billige A & Z-Fälschungen. Die Schnecke Karl, der Elefant Oki und der Dicke Hund wurden palettenweise geliefert. Im Katalog eines bekannten Versandhandels werden das Schwein Lisa und der Esel Karl-Heinz als Spardosen offeriert – gleichfalls als Plagiate der handgefertigten Vorbilder.

Geschmeichelt fühlt sich Stephan Ziege schon lange nicht mehr. „Eine Zeitlang hatte ich kolerische Anfälle“, sagt er. Der hohe Anspruch von Adam & Ziege an edles keramisches Material, an akribische Handarbeit und ausgezeichnete Qualität wird regelmäßig durch schnöde Produktpiraterie verraten.

Zwischen 20 und 40 Euro kosten die Originale, die seit 1990 von den beiden Designern und ihren drei Mitarbeitern in der kleinen Manufaktur im Süden Berlins hergestellt werden. Die Fälschungen in den Discountern werden für ein Zehntel des Preises verramscht. Doch ist der wirtschaftliche Verlust schwer zu bemessen, meint Ziege. Ohnehin: „Schwerer wiegt der ideelle Schaden.“ Zwischen 20 und 30 Figuren kreieren die beiden studierten Designer jährlich. Neben den witzigen Tieren – meist mit Funktionswert für den Haushalt – hat sich auch eine seriöse Produktlinie etabliert. Zu den anspruchsvollen Kunden zählen Galerien und exklusive Geschenkboutiquen in ganz Europa sowie seit zehn Jahren ein Edelkaufhaus in Taiwan.

Unterwegs nach Asien kreuzen sich die Wege von Originalen und Plagiaten. Die meisten Kopien werden in China und Thailand hergestellt. Bis vor einem Jahr war es für Thomas Adam und Stephan Ziege nahezu zwecklos, gegen den Kunstraub vorzugehen. „Das Stafmaß beträgt vom geschätzten Herstellungsumfang fünf bis zehn Prozent“, so Ziege. Die 1500 Euro Entschädigung, die sie durch die erfolgreiche Klage gegen eine Fälschung erstritten, deckten gerade einmal die Anwaltskosten. Und in China gegen Produktfälschung vorzugehen, scheint aussichtslos. Die Herstellungsstätten sind meist nicht bekannt. Für den Vertrieb der Ware sind Agenturen zuständig, die im Falle von Ermittlungen oder einer Klage schnell liquidiert werden. Die Produktion geht indes weiter und neue Agenturen werden gegründet. Hinzu kommt ein sprachliches Problem, so Ziege. Es bedürfe schon „Fachchinesisch“, um juristisch gegen die Produktfälscher vorzugehen. „Chinesische Anwälte haben den Markt längst erkannt und nehmen pro Tag 1500 bis 2000 Euro Honorar.“

Seit zwei Jahren haben Adam & Ziege eine Lizenzvereinbarung mit der Firma W. Goebel. Die traditionsreiche Porzellanfabrik produziert und vertreibt Artikel nach den Entwürfen der Güterfelder Designer. Durch die Kooperation mit dem bayrischen Unternehmen sind auch die Möglichkeiten gewachsen, gegen Produktpiraterie vorzugehen. Im Beisein der Goebel-Anwälte und der beiden Designer wurde im vergangenen Jahr in dem Auslieferungslager einer Geschenkartikelfirma im märkischen Falkenberg ein ganzer Container mit A & Z-Plagiaten vernichtet.

Gerade im Designbereich ist Produktpiraterie „ein rasend schneller Prozess“, meint Thomas Adam. Weltweite Handelsbeziehungen und das Internet beschleunigen den Raubzug. Hinweise auf Fälschungen häufen sich. Unlängst rief ein Liebhaber der A & Z-Stücke aus München an und fragte, ob die zweite Serie einer Produktion jetzt eine Billiglinie sei. Ist es nicht. Den letzten Anruf erhielt Adam aus St. Petersburg, wo Nachbildungen der Güterfelder Hunde-Kollektion aufgetaucht sind.

Inzwischen gibt es so viel Plagiate von der A & Z-Produkten, dass die Fälschungen die zwei Schaufenster des Porzellan-Geschäftes in Kleinmachnow füllen. Dass Adam und Ziege mittlerweile etwas gelassener den Raub ihrer Ideen sehen, beweist die Ausstellung der gefälschten Produkte in ihrer Galerie – mit dem wichtigen Hinweis: „Das ist alles nur geklaut!“

Porzellan-Galerie Adam & Ziege, Kleinmachnow, Zehlendorfer Damm 107

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