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KulTOUR: „Alles weg“n de Leut!“

Benefiz-Abend mit Walter Plathe im Scala-Kino von Werder (Havel)

Stand:

Werder - „Ich sing doch den Quatsch nicht zu meinem Vergnüg“n – mich würd“n Sie nicht zu mir in die Vorstellung rein krieg“n. Sing“ auch nicht weg“n dem Geld, nein, das täte mir Leid – Alles weg“n des Leut, weg''n de Leut“, dichtete und sang Otto Reutter, der unerreichte König des deutschen Brettls. Ihm nachzufolgen, ist noch heute eine Ehre, nur wie, wenn man kein Kopist sein will? Der 1870 unter dem bürgerlichem Namen Otto Pfützenreuter in Gardelegen geborene Humorist ist schlichtweg ein Original, so etwas kann man nicht nachzuahmen.

Otto, pardon Walter Plathe, vom Bühne, Film und Fernsehen her bestens bekannt, ging einen anderen Weg, als er die gemeinsame „Schnittmenge“ zwischen ihm und sich bestimmte. Stimme und Tonfall ja, Duktus und Gestus eher nein. So erlebte man ihn jüngst im lange vorher ausverkauften Filmkino zu Werder, wo er nicht für Geld oder Ruhm auftrat, sondern nur „für de Leut“.

Irgendwie ist es den Veranstaltern gelungen, ihn für ein Benefizkonzert zugunsten des „Scala“ zu interessieren. Reichlich Applaus beim Auftritt an der Seite seines sich dödelig gebenden Pianisten Jens-Uwe Fiebig. Er habe schon immer einen Faible für „det kleene Flohkino an der Ecke“ gehabt, so kommentierte der 1950 geborene Berliner seinen Tagesauftrag, stirbt die Kultur einer Stadt, so stirbt auch sie selbst – viel Beifall, na klar.

Nach einem Potpourri bekannter Reutter-Couplets zu Anfang forschte er dem Erfolgsrezept dieses stets unrasierten und schlecht befrackten Burschen nach. Zum Jahres- und Jahrhundertwechsel 1899/1900 war sein Premierenauftritt im alten „Wintergarten“ Berlins, als gerade man die erste Autodroschke fuhr und der Deutsche Fußfall-Verein sich gründete – allet weg“n de Leut? Hallo, aufwachen!, fuhr er ein armes Publikum der ersten Reihe unversehens an.

Späße und Einlagen gab Walter Plathe noch und nöcher, so viele, dass es kaum möglich schien, auch nur einen Titel mal durchgehend zu hören. Er wollte sich in seiner Silberweste von den „schlichten Gemütern mang der blühenden Bäume“ nicht vorsagen lassen, was Murren hervorrief. Schließlich aber sang und spielte er so belebend, bis ihm der Saal nach zwei Stunden gleichsam zu Füßen lag – stehende Ovationen des ganzen Saales in absoluter Gleichzeitigkeit.

„Gemeinsame Schmunzelübungen“ bei „Gräme dich nicht“, die Gretchenfrage bei „Nehm“n Sie “n Alten“, wobei er den Damen des Parketts in eigener Sache die Frage Ja oder Ja! nicht ersparte, die sehr fahrige Geschichte vom „Überzieher“ und vom Neureichen, der eine Villah sich jekauft, aber auch tief Melancholisches, was Otto Plathe auch sehr schön melancholisch herüberbrachte: „In fünfzig Jahren ist alles vorbei “. Die Mischung machte es eben.

Obwohl die wohlgetarnte Absicht, dem Vorbild bewusst nicht zu folgen, manchmal etwas zu deutlich durchscheinen wollte und manche Pointe zu sehr verzögert wurde, hielt das zehn Jahre alte Programm in seiner Werderaner Langfassung meist die Waage zwischen Original und Adept. Respekt vor dem „König“, Plathe blieb Plathe, wie man ihn kennt und schätzt.

Dafür bekam der tranige Pianist etwas „Fett“ ab, aber das gehörte ja zum Programm. Auch Ottos Geheimnis wurde gelüftet: „Er kannte einfach die Menschen“, meinte der Schauspieler. Stimmt, welches Couplet wäre nicht aktuell? Mancher hätte sich noch den „Blusenkauf“ oder „Ick kann det Tempo nich vertragen“ jewünscht, aber man ist ja Optimiste: Vielleicht wird der Benefiz-Erlös für eine Klimaanlage verwendet – weg“n de Leut!

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