
© Manfred Thomas
Potsdam-Mittelmark: Als Bufdi in der Waldorfschule
Lion Alexander Schulz hat Spaß an der Arbeit mit Kindern und sammelt Erfahrungen in Kleinmachnow
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Kleinmachnow - Um acht Uhr morgens beginnt der Tag für Lion Alexander Schulz in der Eingangsklasse der Kleinmachnower Waldorfschule. Dann schnippelt er Obst für das gemeinsame Frühstück von Kindern und Erziehern, nebenbei achtet er darauf, dass die Vier-bis Fünfjährigen mithelfen. Jeweils zwei von ihnen schenken Tee aus und verteilen die Servietten. Der Potsdamer ist 22 und seit vergangenem November der erste Bufdi an der Waldorfschule. Die Bundesfreiwilligendienstler, wie sie offiziell heißen, sollen seit dem Aussetzen der Wehrpflicht im vergangenen Jahr die Zivildienstleistenden ersetzen.
Sieben Monate nach dem Start des Freiwilligendienstes sind bundesweit 30 330 Menschen als Bufdis im Einsatz. In Brandenburg sind es 1060 Männer und Frauen, ein großer Teil von ihnen, 697 genau, sind älter als 26 Jahre. Denn das ist eine der Neuerungen: Den Bundesfreiwilligendienst können auch Senioren oder Hartz IV-Empfänger absolvieren. Weil der Bund für sie in dieser Zeit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt, haben sie nach einem Jahr als Bufdi wieder Anspruch auf das Arbeitslosengeld I. Währenddessen erhalten sie als Taschengeld, zusätzlich zum Hartz IV-Satz, 175 Euro.
Für Lion Alexander Schulz ist es etwas mehr, 330 Euro bekommt er für seine Arbeit. Nicht viel, aber darum geht es für ihn auch nicht. „Ich wollte herausfinden, ob mir die Arbeit mit Kindern wirklich so viel Spaß macht, wie ich dachte.“ Denn nach mehreren Praktika im sozialen Bereich war ihm klar, dass er ab dem kommenden Herbst Soziale Arbeit studieren will. Den Schwerpunkt wird er dabei auf die pädagogische Arbeit mit Kindern legen. Im Potsdamer Haus Emmaus hat er zuvor auch schon Senioren betreut. „Aber das war nicht wirklich etwas für mich“, sagt er, die Arbeit habe ihn seelisch eher belastet.
Mit den Kindern sei es anders, die seien zwar oft laut, dafür herrsche hier eine fröhliche Stimmung. „Nur an manchen Tagen bricht Chaos aus, meist dann, wenn die Kinder unruhig sind“, sagt Lion Alexander. Dann muss er seine Augen überall haben und aufpassen, dass sich die Knirpse beim Toben nicht gegenseitig wehtun. Wenn er davon erzählt wird schnell klar, wie genau er die Kinder beobachtet. „Oft erinnere ich mich dann daran, wie ich mich früher selbst in solchen Situationen gefühlt habe“, so Lion.
Dass er an einer Waldorfschule gelandet ist, sei Zufall, mit deren Konzept hat sich Lion vorher nicht beschäftigt. Manches sei am Anfang deshalb schon ungewohnt gewesen: „Streng durchzugreifen, wenn ein Kind bockig ist, das machen wir hier nicht“ erzählt er. Auch die starke Betonung auf künstlerische Fertigkeiten habe er aus seiner eigenen Schulzeit nicht gekannt.
Insgesamt sei das Jahr eine gute Vorbereitung auf sein Studium, fasst Lion zusammen. Für das ist der Freiwilligendienst zwar ohnehin eine Voraussetzung. Trotzdem empfahl Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) den Dienst auch allen anderen jungen Menschen als Möglichkeit zur Berufsorientierung. Am gestrigen Mittwoch besuchte der Minister Lions Arbeitsstelle, um eine erste Zwischenbilanz über die Umstellung zu ziehen.
Der von den sozialen Trägern befürchtete Notstand sei durch den Wegfall der Zivis nicht ausgebrochen, selbst wenn der Verlust noch nicht ganz ausgeglichen sei. Vor knapp zwei Jahren waren in Brandenburg 1800 Zivis im Einsatz. Auch die Zahl derer, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, sei durch das neue Angebot nicht zurückgegangen, so Baaske. Um Doppelstrukturen zu vermeiden, sollte aber eine Zusammenführung der beiden Dienste diskutiert werden.
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