
© Eva Schmid
Potsdam-Mittelmark: Als Kintopp noch Handarbeit war
Der Cineast Jakob Damms präsentiert Stummfilme in seiner Wilhelmshorster Garage
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Michendorf- Ein Gong ertönt, der Vorhang geht auf. Es beginnt zu rattern und zu flimmern, wenn sich die Filmrolle im historischen Projektor dreht. Nach kurzer Zeit steht dem Filmvorführer der Schweiß auf der Stirn. Filme zu zeigen bedeutet für Jakob Damms Handarbeit. Den Filmprojektor bedient er per Kurbel. „Das ist echtes Kino oder zumindest Kino, so wie ich es verstehe“, erzählt der 44-jährige Cineast.
Jakob Damms Flimmerkiste befindet sich in Wilhelmshorst, und zwar in seiner seiner umgebauten Garage in der Peter-Huchel-Chaussee 23. An der Rückwand des kleinen Raums hängt schon ein brauner Samtvorhang, demnächst will er hier Nachbarn empfangen. Scheinwerfer liegen auf dem Boden, ein Sofa und einen Tisch gibt es auch schon. „Das letzte Kino“ – der Name der Kulturgarage – soll Programm werden: „Es ist einer der letzten Orte, an dem noch alte Kinokultur praktiziert wird.“
Viel Platz wird es im neuen Wilhelmshorster Filmtheater nicht geben. Damms schätzt, dass maximal 15 Personen in den Raum passen. „Wenn weniger kommen ist es nicht schlimm, ich lebe ja nicht davon.“ Sein Projekt betreibt er aus Leidenschaft. Er nennt sich selbst altmodisch, will das Kinoerlebnis aus alten Zeiten teilen. „Das macht dem Publikum Riesenspaß, wenn sie selber kurbeln dürfen.“ So könne man selber das Filmtempo bestimmen und merke, wie anstrengend das sei. Nächste Woche wird er sein Projekt den Wilhelmshorstern vorstellen.
Kino wie damals heißt für Damms vor allem Stummfilme zu zeigen, die mit Klaviermusik und teilweise von ein einem Kinoerzähler begleitet werden: „Bei mir wird es aber nicht die Blockbuster, wie zum Beispiel Fritz Langs ,Metropolis’ geben.“ Es sind vergessene Schätze, die Damms aus nationalen und internationalen Archiven kramt: Titel wie „Die Reise zum Mond“ des Filmpioniers Georges Méliès von 1902 begeistern ihn.
Mit den Filmen sind Geschichten verbunden: „Ohne pädagogisch sein zu wollen, erzähle ich etwas über den Film – das ist immer eine Reise.“ Das Publikum soll staunen und verblüfft sein: Wer weiß heute noch, dass die Stummfilme ursprünglich oft farbig oder getönt waren? Die Antwort ist einfach, den meisten aber nicht bekannt. Die alten Nitrofilme, die schon bei weniger als 40 Grad zu brennen anfingen, wurden in der Bundesrepublik 1957 verboten. Um sie dennoch zu erhalten, wurden Filme auf schwarz-weiß kopiert. „Das war einfacher und billiger“.
Für Damms gehört zum Kinoerlebnis aber auch die Atmosphäre: Für sein Publikum putzt er sich heraus. Er trägt Anzug und Zylinder und begrüßt am liebsten alle Gäste persönlich. So tritt er auch mit seinem Freund und Partner, dem Pianisten Georg von Weihersberg auf. Die beiden sind hauptberuflich als „cinema mobile“, einem Wanderkino unterwegs. Mit Kostümen, einer Kinoerzählerin und dem handbetriebenen Stummfilmprojektor machen sie Kino an ungewöhnlichen Orten – in Hinterhöfen, Kirchen und Kneipen, überall dort, wofür sie gebucht werden.
Ab Freitag zeigen sie eine fünfteiligen Serie im Potsdamer Filmcafé Melodie. Da historisches Kino aber nicht wie heute auf Knopfdruck funktioniert, muss Damms vor den Auftritten den Ablauf proben. „Da dachte ich mir, wieso die Generalprobe nicht öffentlich machen.“ Die Idee für das Wilhelmshorster Kino war geboren.
Erst vor zwei Jahren ist Damms wieder in seinen Heimatort Wilhelmshorst zurückgezogen. Zuvor lebte er über zwanzig Jahre in Berlin-Neukölln. Filme zeigt er seit 25 Jahren. Ausgebildet wurde er im Potsdamer Filmmuseum: „Die hatten kurz vor der Wende einen Kurs zum Filmvorführer angeboten.“
Damms liebt seinen Beruf, bei dem es vor allem darum geht, schnell am Projektor etwas reparieren zu können und das Publikum zu unterhalten. Am liebsten macht er Kino für Kinder: „Die sind das anspruchsvollste Publikum“. Wenn es zu langweilig ist, dann würden sie über die Stühle springen. Erst wenn Stille im Saal herrscht, seien die Kinder von den Bildern fasziniert.
Mit seiner Projektwoche, die ab dem kommenden Montag beginnt, will er rund 800 Euro Spenden sammeln. Die Garage ist bisher noch sehr provisorisch. Er braucht noch dringend eine Toilette und ein Klavier. Auf seiner „Baustelle Kino“ will Damms dennoch viel bieten: Er wird die Vorläufer der Kinoprojektoren und eine Laterna magica ausstellen. Die erste Filmvorstellung gibt es am heutigen Donnerstagabend um 20.30 Uhr. Am Mittwoch, dem 29. Mai bietet der junge Jazzmusiker Moses Vester eine Reise durch die Jazzgeschichte. Der Eintritt zur neuen Filmtheater-Baustelle ist kostenlos.
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