Potsdam-Mittelmark: Alte Bauten und Insel-Geschichten
Ex-Berliner und Ur-Werderaner als Bauherren
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Werder - Auf Werders Insel gibt es eine alte Regel: Wer ein Gebäude abreißt, bringt damit Unglück über sich und seine Familie. „Um- oder anbauen darf man – aber auch nur, wenn es notwendig ist und die Brieftasche das hergibt“, sagt Tobias Mai, Nachfahre einer der ältesten hier ansässigen Dynastien. Mai ist Fischer, wie sein Vater, Großvater und fünf weitere Generationen davor. Seit 1730 wohnt die Familie direkt an der Brücke in der Torstraße. Den Stammsitz gibt es heute noch, denn wie die meisten anderen Inselbewohner haben sich die Mais an das ungeschriebene Gesetz gehalten.
Die Geschichtsverbundenheit der Ur-Werderaner ist der Grund dafür, dass die Insel mit ihren kleinen Häusern und Fischerkaten weitgehend erhalten geblieben ist. Seit Sonntag läuft nun die Ausstellung „Private Bauherren auf der Inselstadt“. Zur Eröffnungsveranstaltung hatten die Mais und sieben weitere Hausbesitzer ihre Türen für Besucher geöffnet.
Im Mittelpunkt steht die Entwicklung der Bauten seit Anfang der 90er Jahre. Damals waren viele der Inselhäuser verlassen, der Zahn der Zeit nagte an Mauern und Dächern. 1993 wurde der Bereich zwischen Havel und Plantagenplatz zum Sanierungsgebiet erklärt und unter Denkmalschutz gestellt. Während die Alteingesessenen nach und nach ihre Häuser wieder auf Vordermann brachten, fanden sich für die verlassenen Objekte private Investoren, die es zumeist aus Berlin nach Werder verschlagen hatte. Neben Fördergeldern wurde über die Jahre viel Eigenkapital und noch mehr Herzblut investiert. 60 Prozent des Bestandes sind mittlerweile restauriert.
Der besondere Reiz an einem Streifzug über die Insel liegt nicht nur in der Sanierungsentwicklung, sondern auch in den Geschichten, welche nur die Alteingesessenen erzählen können. „Die Fischer haben Werder gemacht - nicht umgekehrt.“ Darauf besteht Tobias Mai. Den Beweis führt die Familie in ihrer Fischerchronik: 1317 wurde den Petri-Jüngern von Markgraf Waldemar das Marktrecht zugebilligt. „Die Stadt kam erst danach.“ Die drei großen Bücher mit Abschriften von Original-Dokumenten werden geachtet und gepflegt. Das älteste Gewerk der Blütenstadt habe sich über die Jahrhunderte kaum verändert, berichtet der Fischer. Zwar haben die Kähne jetzt einen Außenbordmotor und statt Netzen wird mit Reusen gefischt, „aber die körperliche Arbeit ist die gleiche“.
Das kleine Häuschen in der Torstraße hat sämtliche Mai-Männer auf die Havel hinaus fahren sehen. 1992 wurde mit der Sanierung begonnen – und das unter den Argusaugen des Denkmalschutzes. Nicht jede Auflage kann Fischer Mai heute nachvollziehen, zum Beispiel jene, dass der Schornstein wieder aufgemauert werden musste – obwohl der alte Ofen längst durch eine Gasheizung an anderer Stelle abgelöst worden war.
Der zweite Werderaner Wirtschaftszweig wird seit fünf Generationen von der Obstbauer-Familie Polz gepflegt. Ihr heutiges Domizil ist das um 1900 erbaute Haus in der Pfarrgartenstraße 9. Elfriede Polz ist Ur-Werderanerin, wurde in einem Haus in der Fischerstraße geboren. Und obwohl auch ihr Stammbaum eine ganze Reihe von Obstbauern aufweist, hatten diese immer noch ein zweites Standbein: „Mein Großvater war Schmied, mein Vater Bootsbauer.“ 1960 hatte sie mit ihrem Mann das Haus in der Pfarrgartenstraße gekauft. Der kleine Hof bot jedoch nur Platz für Tiere und Technik – die Obstäcker liegen seit jeher in Plötzin und Kammerode. Heute stehen in den ehemaligen Ställen Transporter – und den Betrieb leitet mittlerweile Enkel Patrick Polz.
Anfang der 90er wurde die Fassade des Hauses in der Pfarrgartenstraße saniert. Wenn sie an den damaligen Zustand auf der gesamten Insel zurück denkt, sagt Elfriede Polz: „Viele Häuser wären fast dem Verfall preis gegeben worden.“ Aber gern gesteht sie zu: „Wir haben uns gemausert.“ Thomas Lähns
Thomas Lä
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