Potsdam-Mittelmark: Am Grabe seiner Habe
Der Rehbrücker Arzt Walther Partke hat über 1000 Zeichnungen aus dem 1. Weltkrieg hinterlassen – ein überraschender Fund. Eine Ausstellung zeigt jetzt eine Auswahl seiner Kriegsdokumentation
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Nuthetal - Es ist ein düsteres Bild: Ein paar Dutzend niedergeschlagen wirkender Soldaten drängen sich um einen offenen Kamin in einer Mühle an der deutsch-luxemburgischen Grenze. Das Feuer gibt das einzige Licht in der kleinen Müllerstube. Die Köpfe der Männer hängen düster herunter. Der Krieg ist verloren. Die Frontkämpfer wollen sich etwas aufwärmen. Sie waren Ende November 1918 auf dem Rückzug aus Frankreich in einer eisigen Nacht an einem steilen Berghang hängen geblieben.
„Es war eine furchtbar deprimierende Stimmung, die totale körperliche Erschöpfung, die Ungewissheit und der Zusammenbruch des Vaterlandes“, schreibt der Rehbrücker Arzt Walther Partke (1884-1944) unter seine Zeichnung. Über vier Jahre lang war es als Truppenarzt auch sein Krieg, erst an der Westfront, dann an der Ostfront und im letzten Kriegsjahr wieder an der Westfront.
Leid, Zerstörung, Tod – alles hat er dokumentiert, vier Jahre lang, fast lückenlos, und dabei mit sich gerungen zwischen Vaterlandstreue und Abscheu vor den schrecklichen Gräueltaten auf beiden Seiten. In über 1000 Seiten Tagebuchaufzeichnungen, in 1200 Skizzen und Zeichnungen, eilig hingehuscht oder detailgenau, je nachdem wie viel Zeit ihm die Lage gerade gab, auf kleingeschnittenem Zeichenpapier oder auf Notizzetteln, unbenutzten Postkarten oder den Rückseiten von Militärkarten. Wenn er weiter hinter der Frontlinie stationiert war, entstanden auch stille Landschaftsmotive, fast folkloristische Bilder der Bevölkerung, vom Eiertausch und humoristische Darstellungen des Soldatenalltags. So viel Authentizität ist selten, wenn heute vom 1. Weltkrieg die Rede ist.
Es ist dreieinhalb Jahre her, als Partkes inzwischen betagter Sohn Karl-Ernst jemanden suchte, der den Nachlass seines Vaters übernehmen würde. Er wandte sich an den Förderverein Havelländische Malerkolonie in Ferch und den Ortsverein Bergholz-Rehbrücke. Keiner wusste wohin mit der ansehnlichen Zahl von Werken. Gemeinsam einigte man sich, die Werke Partkes erstmal zu erfassen, der Hobbyhistoriker Heinz Schmal, der schon vieles über die havelländischen Maler zutage gefördert hat, übernahm die Aufgabe. Da wusste er noch nicht, was auf ihn zukam.
Anfangs war von 50 Gemälden und 150 Zeichnungen die Rede, Landschaftsmotive vor allem aus der Region und von der Ostsee. Dabei blieb es bei Weitem nicht. Dann überreichte Partkes Sohn auch noch einige prall gefüllte Ringordner mit Kriegszeichnungen, auf dem Dachboden gab es einen ganzen Schrank voll davon. Motive wurden zutagegefördert, auf denen k.u.k.-Kräfte russische Spione erschossen, oder ein Heerestransport durch russische Artillerie beschossen wurde, „mit japanischen Granaten“, wie Walther Partke bissig im Bildtext vermerkte. Zeichnungen russischer, von Schützengräben zernarbter Landschaften tauchten auf, von provisorischen Feldlazaretten, von Flüchtlingstrecks und Gefangenen: russische Soldaten in einem Militärwaggon, französische Offiziere hinter Stacheldraht.
Heinz Schmal fand Bilder gestürmter Schützengräben mit den Leichen der Feinde, toter Zivilisten am Dorfbrunnen und immer wieder Ansichten völlig zerstörter Orte, zerbombter Kirchen und Häuserruinen. Auf einem der Bilder eines weißrussischen Dörfchens sitzt ein Mann verlassen auf dem weiten Markplatz mit einem Koffer, einigen Möbeln und Habseligkeiten, im Hintergrund sind Häuserruinen zu sehen. „Am Grabe seiner Habe“, steht unter dem Bild.
„Im heutigen Bewusstsein hat sich der 1. Weltkrieg ja vor allem an der Westfront abgespielt“, sagt Heinz Schmal. Dass so viele Motive Partkes von der Ostfront überliefert sind, hält der 70-Jährige für bemerkenswert. Dort ist es nicht weniger erbarmungslos zugegangen. Der Truppenarzt vermerkt im April 1915 nach der Versetzung seiner Divison nach Galizien im Tagebuch: „Ich erlebte nunmehr die Durchbruchsschlacht Gorlice-Tarnow, die folgenden Kämpfe am San, bei Radymnow, bei Przcemysl, an der Wisznia, bei Lemberg, am Bug, Grubieszow, Brest-Litowsk, in den Pripjetsümpfen ununterbrochen weiter bis zur Einnahme von Pinsk. Sodann verblieb ich bei der Division in den Stellungskämpfen am Stochod und auch den Überfall auf Newel, wobei fast mein ganzer Divisionsstab mit unserm General Fabarius fiel.“
Bei einer Offensive am Stochod entstand in jenen Tagen ein Bild von vorwärtsdrängenden Fußtruppen, deren Reihen durch Gefallene bereits sichtbar geschwächt sind. Mit den Deutschen marschiert am Himmel Gevatter Tod. Der wütete freilich auch in den eigenen Reihen: Immer wieder schreibt Partke von den eigenen Verlusten, nach manchen Schlachten muss er mit einem halben Dutzend Kollegen Tausende von Verwundeten versorgen. Er malt die Geheilten, die ihm mit Verbänden und Armschienen offenbar Modell standen, wie die Toten. Er zeichnet die Lazarettstandorte, die sich mal in geschlossenen Gebäuden, mal in selbst gegrabenen Erdhöhlen, meistens aber in völlig ungeschützten Zelten befanden. Die Rote-Kreuz-Fahne allein bot in jenen Tagen auf beiden Seiten nicht unbedingt große Sicherheit.
Walter Partkes Enkeltöchter möchten ein Privatarchiv mit den Werken einrichten, das zu Forschungszwecken geöffnet sein soll. Für Heinz Schmal ist die Ausstellung, die am Freitag in Bergholz-Rehbrücke eröffnet wird, möglicherweise der Beginn für mehr: Er denkt über eine Veröffentlichung nach, in der er Tagebuchaufzeichnungen und Bilder verknüpft.
Einige Jahre nach Kriegsende eröffnete Walther Partke in seinem Rehbrücker Wohnhaus eine Landarztpraxis, später soll er den Nazis nahegestanden sein. Der 1. Weltkrieg, so steht es in Tagebuchaufzeichnungen aus jenen Tagen, war für ihn ein notwendiges Übel, um ein höheres Ziel zu erreichen. Nach einem Frontdurchbruch im März 1918 an der Westfront bei Arras (Frankreich) vermerkt er: „Es geht unaufhaltsam vorwärts. Weiter so, es geht ja um alles, um Frieden.“
Am 29. August wird die Ausstellung mit den Kriegsbildern von Walther Partke um 18 Uhr in der Galerie EigenArt, Weerthstraße 2a, eröffnet. Heinz Schmal wird eine Einführung geben. Danach ist die Ausstellung geöffnet am 30. und 31. August, am 6. und 7. September und am 13. und 14. September jeweils 13 bis 18 Uhr, außerdem am 1., 3. und 10. September von 14 bis 18 Uhr.
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