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In Handschellen wurde der Angeklagte Michael F. gestern in das Landgericht Potsdam geführt.

© Manfred Thomas

Von Alexander Fröhlich: Angeklagter widerspricht Mordvorwurf

Prozess um Tötung eines Fotomodells in Beelitz-Heilstätten hat begonnen

Stand:

Beelitz/Potsdam - War es Mord oder ein tödlicher Unfall bei Sado-Maso-Spielen? Für den Tod eines 20-jährigen Fotomodells aus Zossen (Teltow-Fläming) muss sich seit gestern ein 38-jähriger Wissenschaftler aus Mainz vor dem Landgericht Potsdam verantworten. Unter Tränen verlas der Hobbyfotograf mit Hang zum Morbiden über drei Stunden lang eine mehr als 100 Seiten lange Stellungnahme. Darin schilderte er, was sich an einem Juli-Wochenende vergangenen Jahres in einem Ferien-Appartement in Beelitz-Heilstätten abgespielt haben soll. Und das widerspricht deutlich der Anklage.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord und Störung der Totenruhe vor. Der 38-jährige Michael F. soll seine Internet-Bekanntschaft zunächst mit einer Bratpfanne auf den Kopf geschlagen und sie dann „zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes“ erwürgt haben. Später verging er sich laut Anklage an der Leiche.

Von einer fahrlässigen Tötung bei den Sexspielen spricht hingegen Verteidiger Matthias Schöneburg. Sein Mandant berichtete detailliert, wie er und die 20-jährige Anja P. sich im Internet kennengelernt, wie sie sich unzählige Mails geschrieben und zu einem Foto-Shooting in den Ruinen des Beelitzer Sanatoriums verabredet haben – und dass sie sich beide verliebt hätten. In dem von ihm angemieteten Appartement hätten die beiden bereits einmal Sex gehabt – mit Augenmaske und Fesseln. Und sie hätten ein Rollenspiel ausgemacht, so wie sie es in einer über Mails gemeinsam verfassten erotischen Geschichte erdacht hatten. Dabei soll es sich um Vergewaltigungsphantasien gehandelt haben.

Michael F. betonte wiederholt, dass er die junge Frau nicht töten wollte. „Jegliches gewalttätiges Verhalten ist mir fremd“, sagte der mit Bestnoten promovierte und bis zur Tat in einem Museum in Frankfurt/Main tätige Naturwissenschaftler. „Abscheulich“ nannte er die Vorwürfe, dass er sich an der Leiche vergangen haben soll. „Ich bin Christ und Wissenschaftler.“

Nach seiner Darstellung hätte er der 20-Jährigen am Morgen mit der Bratpfanne gegen den Kopf geschlagen, sie gewürgt und dann Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt. Da die Frau nicht die verabredeten Signale, falls es ihr zu viel würde, zeigte, hätte er einfach weitergemacht. Als sich die Frau nicht mehr bewegte, habe er zunächst geglaubt, sie täusche dies nur vor. Erst nach dem Akt habe er gemerkt, dass die 20-Jährige nicht mehr atmete.

Kritik äußerte der 38-Jährige an der Staatsanwaltschaft. Die „dunklen, unbekannten Seiten“ von Anja P. habe niemand erforscht. Sie habe das Treffen regelrecht forciert, nicht er. Tränenreich entschuldigte er sich bei den Eltern des Opfers, die als Nebenkläger auftreten. Für die Eltern waren die Worte des Angeklagten kaum auszuhalten, sie verließen den Saal.

Der Prozess ist bis Ende August auf 18 Verhandlungstage angesetzt, denn die Beweisaufnahme ist umfangreich. Acht Hauptbände und weitere 22 Nebenbände mit Mails, Chat und SMS sowie Material aus dem Internet liegen dem Gericht vor. Am Donnerstag sollen die ersten von insgesamt 24 Zeugen gehört werden. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Frank Tiemann, erklärte gestern schon vorsorglich, statt eines Mordurteils könnte auch ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommen.

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