KulTOUR: Angst, dass die Liebe die Erde verlässt
Ehrenamtlicher AAVA-Verlag stellte in Werder neue Bücher und unbekannte Autoren vor
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Von Gerold Paul
Werder (Havel) - Gestern stellte der Verlag AAVAA in den nicht besonders heiligen Hallen der Werderaner Comédie Soleil zum zweiten Mal neue Bücher und unbekannte Autoren vor. Herr des ehrenamtlich betriebenen Unternehmens ist Hans Lebek, im Hauptberuf Fuhrunternehmer, sonst Büchernarr und Krimischreiber. Da er einst selbst bei großen Verlagen Klinken putzen ging, weiß er um die Nöte der „kleinen Autoren“. Und weil ihm das so sehr am Herzen lag, gründete er diesen Verlag. Wohl dem, der’s kann. Seine Philosophie: Keine Kürzungen, keine Zensur, nicht mal ein Lektorat, die Autoren müssen allein auf die Qualität ihrer Sprache achten lernen, was nur gut sein kann.
Dergestalt möchte Hans Lebek solchen Autoren in die Startlöcher helfen, die bei den „Großen“ kaum eine Chance auf Veröffentlichung hätten. Das funktioniert offenbar, die Zahl der Autoren hat sich seit dem Herbst auf etwa hundert verdoppelt, neben Klein-, Großdruck („normal“ ist normal) und e-book kann er nun auch Hardcover machen. Um den Absatz soll es auch so schlecht nicht bestellt sein. Vielleicht hat der Koop-Partner Comédie Soleil daran auch eine Mini-Mini-Aktie, Michael Klemm gehört ja selbst zur guten Gesellschaft von AAVAA.
Dieses Mal stellten sich vier Autoren einem gut zwanzigköpfigen Publikum vor. Nach der Präsentation von „Ausgerechnet Soufflé!“ im Oktober war Claudia Winter jetzt mit „Heul doch!“ dabei, wieder einem kolportageartigem Roman aus dem Kölner Milieu. Sehr unterhaltsam schildert sie die seltsamen Wege zweier Frauen, der schüchternen Bankangestellten Pauline, und einer energischen, aber verschuldeten Seniorin mit Mops. Offenbar eine turbulente Geschichte, mit vielerlei Farben gemalt.
Michaela Böckmann hat mit ihrer DDR-Lebensgeschichte „Ostwind“ den Verlagsherrn aus „dem Westen“ wie elektrisiert. Sie schildert ganz unverblümt und herzens-ehrlich, wie sie als Frau eines NVA-Fliegers hierzulande gelebt, geliebt und manchmal auch gelitten hat. „Ich gehörte nicht zu denen, die 1990 gejubelt haben!“, sagte sie gleich vorab. Obwohl sie aus ganz praktischen Gründen die besten Stellen zurückhielt, konnte man doch wenigstens ahnen, dass ihr bisheriges Leben eine große Geschichte war. Nun hat eine üble Krankheit nach ihr gegriffen. Für sie als Autorin heißt das einfach: „Fortsetzung folgt!“
Gleichwohl der Berliner Verlags-Chef im Herbst noch behauptete, nur Romane drucken zu können, weil „Lyrik nicht geht“, hörte man bei der jetzigen Matinee doch recht stürmische Liebesgedichte des Schauspielers Horst Wüst aus „Für Dich For You“. Sie glichen zwar manchmal mehr lyrischen Situationsbeschreibungen als „richtigen“ Versen, passten zu leiser Klaviermusik aber trefflich ins vormittägliche Bild. Seine Spezialität sind nicht allein typographische Strukturen, er hat seine Werke gleich selber in deutsch und englisch verfasst. Vielleicht hat das mit seiner Angst zu tun, die Liebe könnte die Erde verlassen.
Bei Gloria Frost’s Thriller „Der Purpurschnitter“ lief einem zwar kein direkter Schauer über die Haut. Ein dezenter Hinweis auf den Massenmörder Hamann (der in den Zwanzigern junge Männer zu Wurst verarbeitete) genügte allerdings schon, um ihre detaillierte Beschreibung des Schlachters Bruno im Geist entsprechend zu vollenden. So wie die Hannoveranerin las, muss es in diesem Buch wirklich sehr sehr gruselig zugehen. Wie im richtigen Leben. Eben!
www.aavaa.de
Gerold Paul
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