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Auswirkungen von TTIP in Potsdam-Mittelmark: Angst vor Amerika
In Werder und im Kreistag Potsdam-Mittelmark werden Einschränkungen durch das geplante Handelsabkommen TTIP befürchtet. Einige regionale Betriebe könnten aber auch profitieren.
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Werder (Havel) - Chlorhühnchen, Schiedsgerichte, Investitionsschutz – mit diesen Stichworten wird das geplante transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) oft in Verbindung gebracht. Doch die Vereinbarung, die derzeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten verhandelt wird, könnte sich auch auf die mittelmärkischen Betriebe und die kommunale Verwaltung auswirken, wie am Montagabend bei einer Diskussion im Werderaner Schützenhaus deutlich wurde.
Fahrzeugbranche würde profitieren
Eingeladen hatte der Linken-Landtagsabgeordnete Andreas Bernig, vor etwa 50 Zuhörern diskutierte er mit der Staatssekretärin für Europa und Verbraucherschutz Anne Quardt sowie Jens Ullmann von der IHK Potsdam über die positiven und die weniger guten regionalen Folgen von TTIP.
„Das Abkommen ist auch für märkische Unternehmen wichtig, da es kleineren und mittleren Firmen den Weg auf den US-Markt erleichtert“, so Jens Ullmann. Teltower Biotechnologiefirmen würden bisher beispielsweise ihre Produkte nicht in den USA anbieten, da die Zertifizierung für den amerikanischen Markt zu teuer sei, obwohl die Produkte in Deutschland zugelassen sind. Auch die Fahrzeugbranche und andere Unternehmen würden dem IHK-Mann zufolge vom einheitlichen Wirtschaftsraum profitieren. Zudem hätten es Firmengründer hierzulande leichter, da sie mehr Startkapital von US-Firmen akquirieren könnten.
Wirtschaftssysteme zu unterschiedlich
Anne Quardt sieht hingegen viele Differenzen zwischen den Wirtschaftssystemen dies- und jenseits des Atlantiks. „Nicht alle Standards zu Umwelt- und Arbeitsschutz sollten Teil des Abkommens sein.“ In Deutschland gelte schließlich das Vorsorgeprinzip, laut dem beispielsweise erst die Unschädlichkeit von Chemikalien nachgewiesen werden müsse, ehe sie eine Zulassung bekommen. In den USA herrsche hingegen das Risikoprinzip, wonach erst bei aufgetretenen Schäden gehandelt wird. Außerdem kritisiert die Staatssekretärin eine geplant Negativliste mit Teilen des Marktes, die nicht liberalisiert werden sollen. „Alles, was dort nicht drin steht, kann später nicht mehr geregelt werden“, warnte Quardt.
Kritik an diesem Punkt ist auch Teil einer Beschlussvorlage für den Kreistag, die Linken-Kreistagsmitglied Katrin Menz eingebracht hat. Darin werden alle Vorstöße von Handelsabkommen abgelehnt, die das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung verletzen. „Eine einmal privatisierte Dienstleistung könnte nicht mehr rekommunalisiert werden, egal ob es dafür gute Gründe geben sollte.“ Private Unternehmen könnten stets dagegen klagen.
Was hat es noch einmal mit TTIP auf sich? Lesen Sie den Hintergrund dazu HIER >>
Außerdem fördere der Landkreis laut Menz viele Kulturvorhaben. „Kommerzielle Veranstalter können über die TTIP-Regelungen dagegen klagen und für sich die Förderung einklagen“, so Menz in ihrem Antrag. Auch die Förderung der regionalen Wirtschaft durch die Mittelbrandenburgische Sparkasse könnte gegen das geplante Abkommen verstoßen. Am 20. Mai wird sich der Ausschuss für Ordnung, Sicherheit und Verkehr mit dem Antrag beschäftigen.
Was ist mit dem Streikrecht?
Wie weit sich TTIP noch auf die kommunale Daseinsvorsorge auswirkt, sei laut Andreas Bernig völlig unklar. Auch im Publikum kamen am Montagabend einige Fragen auf. „Was ist zum Beispiel, wenn ein in Deutschland legaler Lokführerstreik für Ausfälle in Betrieben sorgt?“, wollte ein Gast wissen. In Amerika sei das Streikrecht schließlich nicht so fest verankert und nach amerikanischem Recht könnten Unternehmen womöglich gegen die Lokführer klagen. Und warum müssen erst internationale Verträge für einheitliche Standards in Industrie und Handel sorgen, obwohl das auch die betroffenen Unternehmen selbst aushandeln könnten? Antworten darauf konnten auch die Diskutanten nicht geben.
Ein Gutes konnten die Anwesenden der Diskussion um TTIP aber abgewinnen: Die Deutschen beschäftigen sich mit Handelspolitik und wollen sich einbringen. Sollte zum Beispiel der Kreistag dem Antrag von Katrin Menz folgen, soll auch der Landrat gegenüber Brandenburg, dem Bund und der EU seine ablehnende Haltung deutlich machen. Ähnliche Resolutionen wurden bereits vom Städte- und Gemeindebund und Gemeinden wie Kleinmachnow gefasst.
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