Potsdam-Mittelmark: Anklage wegen Missbrauchs im Schützenverein
Ex-Trainer bestreitet sexuelle Übergriffe in Neuseddin / Schöffengericht: Aussagen der Kinder absolut glaubwürdig
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Ex-Trainer bestreitet sexuelle Übergriffe in Neuseddin / Schöffengericht: Aussagen der Kinder absolut glaubwürdig Von Gabriele Hohenstein Neuseddin/ Potsdam. „Ich bin fast sprachlos, was für widerliche Anschuldigungen gegen mich erhoben werden“, empört sich Frank K. (41) vor dem Schöffengericht. „Dabei habe ich immer ein gutesVerhältnis zu den Kindern gehabt.“ Die Staatsanwaltschaft wirft dem einstigen Trainer des Schützenvereins Seddiner See e. V. vor, sich zwischen Februar 1996 und dem Sommer 2002 mindestens neunmal sexuell an Minderjährigen vergangen zu haben. Unter dem Vorwand, den ihm anvertrauten Schützen Massagen zur Kräftigung der Bauchmuskulatur angedeihen zu lassen oder Brustumfangsmessungen vornehmen zu müssen, soll der Mann Jungen und Mädchen im Alter zwischen zehn und 13 Jahren massiv im Intimbereich berührt haben. Ort des Geschehens soll das Wohnhaus des Angeklagten gewesen sein. Angeblich sei die Ehefrau – ebenfalls Trainerin im Verein – meist dabei gewesen, wenn Frank K. die Kinder, die sich dabei bis auf die Unterwäsche entkleiden mussten, einmal im Monat vermaß. Etwas Ungewöhnliches sei ihr dabei nie aufgefallen, beteuert die Gattin. Regelmäßiges Vermessen der jungen Schützen sei durchaus üblich, um die Passgenauigkeit der Sportkleidung zu garantieren, betont Norbert K. (49), selbst Trainer und Mitglied des Landesverbandes, im Zeugenstand. Allerdings genüge es, die Prozedur während des Wachstums alle zwei bis drei Monate durchzuführen. „Frank K. war uns als engagierter Trainer bekannt, dessen Methoden weit über das normale Maß hinaus gingen und ihm im sportlichen Bereich auch Recht gaben“, betont der Funktionär. Bauchmassagen seien allerdings ungewöhnlich. „Wenn ein Körperteil massiert wird, dann der beim Schießen stark beanspruchte Rücken- und Schulterbereich“, erläutert der Zeuge. Allerdings läge dies gewöhnlich in der Hand von Physiotherapeuten. Als ihn der Vater eines im Verein trainierenden Jungen im April 1999 wegen „nicht geheurer Praktiken“ in den Übungsstunden von Frank K. ansprach, habe er sofort eine Vorstandssitzung einberufen, erzählt der ehemalige Vereinsvorsitzende Bernd J. (58) vor Gericht. In deren Verlauf habe der Angeklagte mehr oder weniger zugegeben, was ihm später von der Staatsanwaltschaft angelastet wurde. „Er wurde daraufhin sofort von seiner Funktion abberufen. Außerdem rieten wir ihm, zum Arzt zu gehen. So etwas ist doch abartig“, meint der Ex-Vereinschef. Eine Anzeige erstattete er allerdings nicht. Frank K. „trainierte“ indes die Kinder auf seinem Privat-Schießstand im Dachboden weiter. „Wir mussten uns massieren lassen“, berichtet Benedikt M.* (16). Die Massagen hätten stets auf der Wohnzimmercouch seines Trainers stattgefunden. „Herr K. sagte, dadurch wird die Bauchmuskulatur gekräftigt. Er ist dann immer schnell im Intimbereich gelandet.“ Anfangs habe er geglaubt, der Trainer wisse schon, was er tue, so Benedikt. Schließlich sei er damals erst zehn Jahre alt gewesen. Erzählt habe er niemandem davon. „Das war mir einfach peinlich.“ Auch die anderen fünf Missbrauchs-Opfer – wegen ihres jugendlichen Alters unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt – belasten den Angeklagten schwer. Der bleibt dabei: „Diese Vorwürfe sind völlig aus der Luft gegriffen.“ Frank K. sei ein hervorragender Trainer gewesen. Leider habe er seine sexuellen Gelüste über die sportliche Arbeit mit den Kindern gestellt, konstatiert der Staatsanwalt. Wie viele Übergriffe in dem Wohnhaus des Angeklagten stattfanden, ließe sich nicht genau feststellen. Ronald G. * – er tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf – berichtete von mindestens 50 derartigen „Massagen“. Der Verteidiger spricht von „zufälligen Berührungen“. Er geht er davon aus, dass die Taten keinesfalls so stattfanden, wie in der Anklage aufgelistet. Das Schöffengericht sieht keinerlei Belastungstendenzen der jungen Zeugen und verurteilt Frank K. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung. Während dieser Zeit darf er keine Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren trainieren. Zudem hat er eine Geldbuße von 1500 Euro an STIBB e. V. zu zahlen. (* Namen von der Redaktion geändert.)
Gabriele Hohenstein
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