Potsdam-Mittelmark: Anonymer Druck auf Bürgermeister
Ein eingestelltes Ermittlungsverfahren bringt Thomas Schmidt jetzt in Bedrägnis: Er soll zurücktreten
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Teltow - Als die Staatsanwaltschaft 2005 die Ermittlungsakte in Sachen „Thomas Schmidt“ schloss und ins Archiv stellte, atmete der Teltower SPD-Bürgermeister auf. Er war in Verdacht geraten, „pornografische Schriften, die sexuellen Missbrauch zum Inhalt haben“ zu besitzen. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 300 Euro nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung eingestellt. Der Paragraf birgt in sich die Unschuldsvermutung, die Geldzahlung ist kein Schuldeingeständnis. „In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hätte sich in einem Prozess eine Überführung schwierig gestaltet“, erklärte Horst Nothbaum von der zuständigen Staatsanwaltschaft Cottbus gegenüber den PNN.
In Zuge bundesweiter Ermittlungen wegen Kinderpornografie hatte das Landeskriminalamt auch Schmidts privaten Computer beschlagnahmt. Die Fahnder hatten ermittelt, dass von einem anderen PC belastendes Material an Schmidt weitergeleitet worden ist. Tatsächlich wurden auf Schmidts Rechner vier Dateien gefunden, „die die Voraussetzung eines Straftatbestandes allenfalls belegen“, so Oberstaatsanwalt Nothbaum. Dabei handelte es sich um so genannte temporäre Internet-Files, die automatisch aktiviert und gespeichert werden, wenn man andere Seiten aufruft. Schmidt selbst, so erklärt er, habe die Existenz der Dateien auf seinem Rechner nie bemerkt oder gar deren Inhalt gesehen. Eine Vielzahl von Viren, die auf dem PC gefunden wurden, schlossen die Vermutung nicht aus, dass die Dateien durch ein fremdgesteuertes Programm weitergeleitet wurden. Ob die Daten bewusst oder völlig willkürlich an Schmidt adressiert worden ist, wurde nicht festgestellt. Es wurde auch nie abschließend geklärt, wer und wie viele Personen außer Schmidt Zugriff auf den nicht Passwort geschützten Rechner hatten.
Schmidt beauftragte den Teltower Anwalt Frank Fromm, zugleich ein Parteifreund und SPD-Stadtverordneter, ihn in der Sache zu vertreten. Fromm riet seinem Mandaten, sich auf das Angebot der Staatsanwaltschaft einzulassen, 300 Euro an einen gemeinnützigen Verein zu zahlen und auf den von Schmidt gewünschten Freispruch zu verzichten. Dieser hatte zunächst eine Anklage und einen Gerichtsprozess vorausgesetzt. Damit wäre der Fall öffentlich geworden, was sich auf Schmidt persönlich, sein Amt und seine Familie hätte nachteilig auswirken können. Um dies zu vermeiden, habe Schmidt dem „Deal“ schließlich zugestimmt.
Nun werden sowohl Schmidt und Fromm von der Vergangenheit eingeholt. Beide erreichte am 1. Oktober ein anonymes Schreiben. Darin wird der Bürgermeister aufgefordert, spätestens bis zum gestrigen Tage von seinem Amt zurückzutreten. Fromm wird geraten, sich vom Bürgermeister zu distanzieren, wolle er seine geplante Kandidatur für die kommenden Landtagswahlen nicht gefährden. Unter Druck setzt der anonyme Absender Schmidt und Fromm mit dem Wissen um die damaligen Vorwürfe, behauptet jedoch, dass Schmidt angeklagt und verurteilt worden sei. Das ist falsch.
Schmidt und Fromm ergriffen gestern die Flucht nach vorn und informierten die Presse sowohl über die damaligen Ermittlungen als auch über die anonyme Forderung. Am Abend wollte sie die Fraktionsvorsitzenden und den Ältestenrat des Stadtparlamentes informieren.
„Ich werde nicht zurücktreten“, erklärte Schmidt. „Ich wüsste nicht warum!“ Auch Fromm bleibt bei seinen politischen Ambitionen. Beide haben Strafanzeige gegen Unbekannt u.a. wegen Nötigung und übler Nachrede gestellt. Wer hinter der anonymen Schreiben stecke, sei reine Spekulation. „Doch die Forderung nach einem Rücktritt lässt sich mit politischen Motiven zu erklären“, so Fromm. Er könne nur hoffen, dass Teltows Stadtverordnete und politischen Verantwortlichen „deutlich unterscheiden können zwischen juristischen Tatsachen und perfiden Verleumdungen.“
Ihm sei klar, so Schmidt gestern gegenüber der Presse, dass er sein persönliches und politisches Schicksal nunmehr in die Verantwortung der Öffentlichkeit übergebe. Sein „reines Gewissen und Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit“ würden ihm Hoffnung geben, dem Druck standzuhalten.
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