KulTOUR: Anschluss an die Welt
Ausstellung und Vortrag über Siegward Sprotte im Fercher Kossätenhaus
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Schwielowsee - Im Museum der Havelländischen Maler-Kolonie hat man sich viel vorgenommen. Einerseits geht es um die Präsentation der Dazugehörenden, um die mehr oder weniger systematische Durchforstung dieser Materie nach Ästhetiken, Zusammenhängen und Impulsen, nicht zuletzt auch um Zuordnungen und Perspektiven. Schon mehrmals war aus dem ältesten Hause Ferchs zu vernehmen, die malende Diaspora rund um den Schwielowsee seit Karl Hagemeister brauche sich eigentlich hinter ihren prominenteren Zeitgenossen, besonders aus Frankreich, nicht zu verstecken.
Der Potsdamer Kunstwissenschaftler Heinz Schönemann stieß am Sonnabend in dasselbe Horn: Seiner Meinung nach gehören sowohl Karl Hagemeister als auch sein prominenter Schüler Siegward Sprotte (1913-2004) zur Weltkunst – und genau das wollte er den zahlreichen Gästen im anschaulichen Vortrag vermitteln. Die aktuelle Ausstellung heißt nicht umsonst „Dialog mit Karl Hagemeister“, zielt sie doch einerseits auf das produktive, wenn auch etwas anhängliche Verhältnis des „Potsdamer Lokalheiligen“ zu seinem Lehrmeister ab. Hagemeister trug ihm ja schriftlich auf: „Sie müssen da weiter arbeiten, wo ich aufgehört habe.“
Dieser Satz von 1931 war genauso folgenreich wie seine „Große Welle“, die tatsächlich Wellen schlug, wie man auch in dieser hochnotwendigen Ausstellung (Kuratur Jelena Jamaikina) sehen kann. Hier hängen die Bilder von Lehrer und Schüler einträchtig nebeneinander, auch Siegward Sprottes Versuche, besagtes Schlüsselwerk seines Hoch-Meisters zu vereinfachen und zu vergeistigen sei es auch in Form jenes „Japonismus“, den die Wiener Schule einst pflegte.
Malte Hagemeister zum Beispiel im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts „Herbststimmung auf Rügen“, so antwortete Sprotte noch 1969 mit einem sehr ähnlichen Motiv als „Hommage an Karl Hagemeister“. Der späte Sprotte fügt einen Hauch Humor dazu, bei „Det wächst“ von 1987 und 2001 etwa. Seine ersten Sporen verdiente sich dieser Havelländische Maler 1931 bei „Stauden-Foerster“ gleich nebenan, in der Faszination des blau-blauen Rittersporns.
Selbstverständlich ist zuerst das heutige Publikum zum „Dialog mit Karl Hagemeister“ via Sprotte und retour aufgerufen. Nicht umsonst finden sich in der Ausstellung immer wieder Hinweise auf „Schreibendes Malen“, auf lebendige Hieroglyphen, vor allem auf den kosmischen Grund der Dinge, wie ihn der späte Sprotte noch im Geist seines Lehrers fand.
Der Katalog ist ein Prunkstück zur Ausstellung, Kunstwissenschaftler Schönemann fügte am Samstag noch ein paar wichtige Facetten hinzu. Siegward Sprotte sei eben nicht der beliebte Postkarten- und Kalender-Maler, den man so schätzt, sondern ein Künstler von Weltformat: „Sprotte ist das Jahrhundert!“ Dazu zählt er auch vorausgeahnte Schrecken von Düsternis und Krieg, wie das Bild vom erfrorenen Rosenkohl (1943) zeigt: ein Feld erfrorener Soldaten.
Der andere Impuls des Redners bezog sich auf das Bild „Blaue Revolution“. Nach Hagemeister errege eben nicht Rot, sondern Blau den Menschen, zum Beispiel das „wirkliche Blau“ der Anna Seghers. Diesen Farbton hat Sprotte zuerst in Foersters Garten gefunden, später, mit unterschiedlichen Anteilen von Schwarzgrün, in unbekannte Höhen gesteigert.
Beides, das Aufnehmen von Hagemeisters Welle als Urkraft, und jenes Blau, das bleibt, machten Lehrer wie Schüler „Aug in Auge“ zu Weltkünstlern.
Allen Respekt!
Ausstellung bis 18. Juli, Mi. - So. 11 bis 17 Uhr, Beelitzer Straße 1, Ferch
Gerold Paul
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