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Auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf bietet Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt Kindern und ihren Eltern Führungen an.

© Andreas Klaer

Wenn der Opa plötzlich stirbt: Auf dem Südwestkirchhof lernen Kinder den Umgang mit dem Tod

Der Stahnsdorfer Friedhof bietet spezielle Führungen für Kinder und ihre Eltern an. Auch immer mehr Schulklassen nehmen das Angebot wahr. 

Stahnsdorf - Ein Schmetterling aus Perlen ziert ein Grab auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf. Der Verstorbene, der unter dem Perlenschmuck bestattet worden ist, hat ihn zu Lebzeiten mit seiner Frau selbst aufgefädelt. Für Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt passt der Falter gut auf einen Friedhof. „Erst Raupe, dann Kokon, dann Schmetterling – das ist ein Kreislauf. Erst das Leben, dann der Tod und dann die Auferstehung. Es geht immer weiter“, sagt er.

Für Ihlefeldt, gläubiger Christ, ist es wichtig, zu zeigen: Tod und Begräbnis, das hat nicht nur etwas mit Trauer zu tun. Der Friedhof sei ein Ort der Erinnerung. Er schaffe eine Verbindung zwischen Himmel und Erde. „Das passiert ganz automatisch. Dafür muss man gar nichts tun.“

Dass auch Kinder in Berührung mit Tod, Begräbnis und Abschiednehmen kommen, ist Ihlefeld ein besonderes Bedürfnis. Daher bietet er auf dem 206 Hektar großen Friedhof – das sind mehr als 200 Fußballfelder, der Stahnsdorfer ist einer der größten Friedhöfe Deutschlands – neben Führungen für Jugendliche und Erwachsene auch spezielle für Kinder und ihre Eltern an.

Kinder bei Beerdigungen nicht ausgrenzen

Einer, der an der Führung über das Areal südwestlich von Berlin am Samstag teilgenommen hat, ist Stefan Heimann mit seinem Sohn Jan. Der Neunjährige sei erst nicht sonderlich begeistert gewesen von der Idee, den Nachmittag auf einem Friedhof zu verbringen, sagt Heimann. Auch er habe zunächst überlegt, ob Tod und Begräbnis die richtigen Themen für ein Kind seien. Der Vater findet: ja. Er habe auch schon mit seiner Tochter an der Führung teilgenommen. Der Tod und der Abschied, das gehöre zum Leben dazu.

Ihlefeldt kennt die Skepsis vieler Eltern, ihre Kinder mit dem Tod zu konfrontieren. Zum Beispiel bei Beerdigungen. Viele fragten sich dann: Bringe ich mein Kind zur Beerdigung mit? Ihlefeldt sagt: „Auf jeden Fall.“ Ungefähr ab fünf Jahren hätten Kinder ein Verständnis für Leben und Tod. „Und sie haben Fragen.“ Es sei nicht gut, sie von dem Thema fernzuhalten oder sie bei Beerdigungen auszugrenzen. Ganz im Gegenteil: „Dadurch, dass man mit Kindern über den Tod und das Abschiednehmen spricht, bindet man sie mit ein. Stirbt dann ein Familienmitglied oder auch ein Haustier, sind sie nicht so plötzlich mit dem Tod konfrontiert, sondern konnten sich darauf vorbereiten.“ Das Leben sei nun mal endlich.

Eine Verbindung zu den Toten aufbauen

An einem Grab mit vielen bunten Blumen bleibt Ihlefeldt stehen und fragt in die Runde: „Warum denkt ihr, ist es hier auf dem Grab so bunt? Das machen wir für uns. Wir können eine Blume ablegen. Wir bauen auf den Gräbern eine Verbindung zu den Toten auf, können hier zu Gast sein und an den Verstorbenen denken. Oft geht es uns danach besser.“

Bei der Führung zeigt Olaf Ihlefeldt (r.) auch das Innere eines Mausoleums und geht runter in die Gruft.
Bei der Führung zeigt Olaf Ihlefeldt (r.) auch das Innere eines Mausoleums und geht runter in die Gruft.

© Andreas Klaer

Sybille Hintze folgt Ihlefeldt mit Schwiegertochter, Enkelin und Urenkelin entlang der Gräber und Gruften durch das waldige Areal. „Bei uns war das früher anders. Kinder sollten bloß nicht auf den Friedhof“, sagt die 83-Jährige. Jemand habe ihr gesagt: „Das ist doch eine Schnapsidee“, als sie von der Kinderführung erzählt habe. Sie erinnere sich, wie ihr Vater vor vielen Jahren gestorben sei. „Herzinfarkt. Das ging plötzlich.“ 

Ihr Sohn, damals acht Jahre alt, habe an dem Opa gehangen. Lange sei ihr nicht aufgefallen, wie der Junge mit der Schiebermütze des Großvaters umhergelaufen sei. „Ich war so beschäftigt, ich musste ja alles am Laufen halten.“ Plötzlich sei es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen: „Ach du lieber Gott. Das Kind vermisst den Opa ja.“ Heute sei der Umgang mit dem Tod anders. „Man geht freier damit um.“ Hintze findet das gut.

Die Grabstelle des Filmregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau, links und rechts davon sind Steine für dessen Brüder.
Die Grabstelle des Filmregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau, links und rechts davon sind Steine für dessen Brüder.

© ZB

Immer mehr Schulklassen kommen zu den Führungen

Die Hintzes haben eine besondere Verbindung zum Ort, kennen die verschlungenen Waldwege über das umzäunte Areal, auf das sich immer wieder auch Rotwild verirrt, wenn die Türen zu lange offenstehen. Hintzes Mann wurde hier unter einem Baum begraben. Enkelin Sandra Urban, 40, und dritte Generation bei der Führung, erzählt, dass sie alle gemeinsam – auch mit ihren beiden Kindern – den Baum ausgewählt haben. Sie sei nicht religiös, findet es aber wichtig, Kinder über Leben und Tod aufzuklären. „Die Kinder haben den Opa sehr krank gesehen. Wir haben da die ganze Zeit drüber gesprochen. Das war für uns Alltag.“ Das Thema könne man Kindern ruhig zutrauen.

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Aber wie spricht man es am besten an? Ihlefeldt rät: „Ganz einfach und mit Leichtigkeit. Am besten ist es, wenn sich die Eltern über den Tod unterhalten. Dann können sie ihre Kinder mit einbeziehen: habt ihr Fragen?“ Man könne dafür Brücken im Alltagsgeschehen nutzen. Auch gebe es Bücher und Filme, die das Thema gut erklärten. Inzwischen kämen immer mehr Schulklassen zu den Führungen. „Das Interesse nimmt zu.“ Bei den Kindergruppen achte er darauf, dass die Gruppe nicht zu groß werde und die Kinder ungefähr dasselbe Alter haben. „Die Herangehensweise an das Thema ist ja je nach Alter etwas unterschiedlich“, so Ihlefeldt.

Die nächste Führung für Kinder findet am 11. Juni statt. Und dann nach der Sommerpause ab Oktober immer am zweiten Samstag des Monats. Termine stehen auf der Homepage www.suedwestkirchhof.de.

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