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Potsdam-Mittelmark: Auf der Durchreise

In Ferch und Glindow erwartet man Antworten vom Land – vor allem zur Anbindung des Aufnahmelagers im Gewerbegebiet

Von Eva Schmid

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Schwielowsee - Die Nachricht ist seit dem Wochenende in aller Munde: In Ferch und Glindow rätseln Kommunalpolitiker und Anwohner, wie es weitergehen soll. Wie berichtet hatte das Innenministerium am vergangenen Freitag angekündigt, ein Erstaufnahmelager in einem ehemaligen Bundeswehrwohnheim im Fercher Gewerbegebiet einzurichten. Ab 1. Oktober sollen dort 300 Flüchtlinge aus der übervollen Zentraleinrichtung in Eisenhüttenstadt aufgenommen und nach spätestens drei Monaten auf die Landkreise verteilt werden.

Besonders der abgelegene Standort in dem Gewerbegebiet, das näher an Glindow als an Ferch liegt, wird kritisiert. „Es gibt nur eine schlechte Verkehrsanbindung, der nächste Supermarkt in Glindow ist drei bis vier Kilometer entfernt“, sagte Roland Büchner, Ortsvorsteher aus Ferch (BBS). Das Ministerium hätte bereits im Vorfeld die Anbindung mit der Kommune klären können. „Wir werden mit den Problemen alleine gelassen, ausgebadet wird es auf dem Rücken der Flüchtlinge.“ Für Büchner ist die Entscheidung des Landes ein Schnellschuss.

Auch sein Kollege aus Glindow, Ortsvorsteher Sigmar Wilhelm (Freie Bürger), hat am Wochenende mit Anwohnern gesprochen. „Wir fühlen uns übergangen.“ Vor allem die Familien aus den an das Gewerbegebiet angrenzenden Einfamilienhäusern würden wissen wollen, was auf sie zukomme. „Wir haben mit Flüchtlingsheimen doch keine Erfahrung“, so Wilhelm.

Kritik kommt auch vom Flüchtlingsrat Brandenburg: „Man muss keine Kasernen nehmen“, sagte deren Sprecherin Ivana Domaszet. Die Unterbringung in landeseigenen Gebäuden sei lediglich die kostengünstigste Variante. Zudem ist der Standort in einem Gewerbegebiet nach Auffassung des Flüchtlingsrats unzulässig. Verschiedene Rechtsurteile würden dies belegen, so Domaszet. In Ferch sei außerdem die medizinische Versorgung nicht ausreichend gegeben, und die Flüchtlinge könnten sich auch nicht selbst versorgen. Derzeit berate der Flüchtlingsrat, ob er gegen die Entscheidung des Landes klagen werde, sagt Domaszet.

„Von der Frage, wo ein Erstaufnahmelager hinpasst, sind wir derzeit weit entfernt“, entgegnete der Pressesprecher des Innenministeriums, Ingo Decker. Auch die Debatte ob Gewerbegebiet oder nicht oder auch um den Brandschutz führe dazu, dass „wir die Menschen gar nicht unterbringen können“. Doch Brandenburg ist unter Druck: Über 6000 Neuankömmlinge müssten in diesem Jahr aufgenommen werden, so Decker. Man müsse daher nehmen, was man kriege. „Es geht ganz schlicht um ein Bett, ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen für die Flüchtlinge.“

Dreimal am Tag soll aus einer Großküche aus Niemegk Essen für die Flüchtlinge angeliefert werden. Die Anbindung mit dem Bus, der nach Werder (Havel) fährt, sei gegeben. „Von dort kommt man nach Potsdam oder Berlin“, so Decker. Weit reisen müssen die Flüchtlinge, wenn es um ihr Asylverfahren geht: Nur die Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt würde ihre Anträge bearbeiten.

In Absprache sei man derzeit auch noch mit den Ärzten vor Ort, um die medizinische Versorgung zu organisieren. Ob auf dem tristen Kasernengelände zukünftig auch ein Spielplatz entstehen könnte, sei ebenfalls noch offen. Je nach Nutzungsdauer könnten derartige Investitionen getroffen werden, heißt es im Innenministerium. Wie berichtet sollen vorwiegend Familien nach Ferch kommen.

Eine Schulpflicht bestehe in Erstaufnahmelagern nicht, sagt Decker. Dem widerspricht die Integrationsbeauftragte des Landkreises: „Laut Schulgesetz besteht nach sechs Wochen Aufenthalt Schulpflicht“, so Theresa Arens. Es sei wichtig, dass die Kinder früh Deutsch lernen – so falle es ihnen später leichter, sich zu integrieren, wenn sie in neue Heime und Schulen kommen würden.

Dass trotz der überraschenden Ankündigung die Stimmung unter den Anwohnern bisher positiv sei, bestätigte der Gemeindevertreter Matthias Plöchl (Grüne). „Schwielowseer sind zwar zurückhaltend, aber nicht ablehnend.“ Leider habe man kaum noch Zeit, um etwas vorzubereiten, damit sich die Flüchtlinge in Ferch und Glindow auch willkommen fühlen. Plöchl ist der Ansicht, dass die Kaserne als möglicher Standort schon länger bekannt war, das Land aufgrund der Landtagswahlen aber nichts gesagt hätte.

Auch der Caputher Ortsvorsteher Jürgen Scheidereiter (Unabhängige Bürger) ist zuversichtlich: „Ich hoffe, dass die Anwohner für die Situation der hilfesuchenden Menschen Verständnis haben.“ Dass Schwielowsee früher oder später mit dem Zuzug von Flüchtlingen habe rechnen müssen, ist dem Schwielowseer SPD-Fraktionsvize Martin von Simson schon lange klar. „Das Gewerbegebiet ist zwar nicht der optimale Standort, aber wir müssen schauen, was wir jetzt daraus machen.“ Die Gemeinde habe die soziale Fähigkeit, die Situation zu meistern.

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