Potsdam-Mittelmark: Auf der Suche nach den Perspektiven
Forum mit Wissenschaftlern: Obstbauern im Havelland wollen sich vernetzen und damit die Tradition erhalten
Stand:
Werder (Havel)/Groß Kreutz - Die Erfahrung ist vorhanden, die Zähigkeit ebenfalls – doch es fehle an Perspektiven: So umschreiben die havelländischen Obstbauern ihre derzeitige Situation. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben fünf traditionsreiche Gartenbaubetriebe ihre Tore geschlossen – für immer. Damit wirtschaften nur noch 19 Unternehmen in der Region zwischen Werder und Groß Kreutz, die Anbaufläche hat sich seit der Wende von 10 500 auf knapp 1760 Hektar verkleinert. „Wenn es so weitergeht, gibt es hier in 20 Jahren keinen Obstbau mehr“, so Thorsten Roksch, Dozent an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt Universität (HU) und gelernter Obstbauer.
Die Diskussion darüber, wie man diesem Trend entgegenwirken kann, ist längst entbrannt (PNN berichteten): Direktvermarktung in Verbindung mit Tourismus - oder extensiver Anbau mit vertraglicher Lieferung an die großen Vermarkter? Am Dienstagabend trafen sich Obstbauern und Agrarwissenschaftler in Groß Kreutz, um gemeinsam nach Chancen zu suchen. Eingeladen hatte der Förderverein Mittlere Havel, und der sieht im Gartenbau nicht nur einen Wirtschaftsfaktur, sondern ein grundlegendes Element der hiesigen Kulturlandschaft. Auch im angestrebten Naturpark „Mittlere Havel“ habe dieser seinen festen Platz, so Vereinschef Chris Rappaport.
Es ist eine ganze Palette voller Probleme, welche die Obstmucker plagen: Angefangen bei den horrenden Treibstoffkosten über die hohen Pachten, die Schwierigkeiten, Kredite zu bekommen, die ungeklärte Betriebsnachfolge und die geringen finanziellen Erträge. „Für ein Kilo Äpfel, das im Supermarkt verkauft wird, kommen doch nur 20 Cent beim Erzeuger an“, sagte Bernd Raeuber, Geschäftsführer von Fruchtexpress, einem großen Vermarkter mit Sitz in Groß Kreutz. Im Prinzip sei es wie bei den Milchbauern – nur dass in der Gartenbaubranche der Zusammenhalt größer sein müsste, um etwas zu erreichen. Es gebe immer noch zu viele Einzelkämpfer.
Dieses Phänomen wurde in der Groß-Kreutzer Runde mit der Nähe zu Berlin begründet. Die meisten Obstbauern können auf den Wochenmärkten der Hauptstadt oder am brandenburgischen Straßenrand ihre Erzeugnisse auf kurzem Wege an die Städter verkaufen. Eine Zusammenarbeit, um mehr Schlagkraft zu entwickeln, wird bei den kleineren Bauern kaum in Betracht gezogen. Mit 44 Prozent der Produkte wird im Havelland doppelt soviel direkt verkauft wie im Bundesdurchschnitt, bemerkte Felicitas Bechstein, die am Institut für Agrar- und Stadtökologieprojekte der HU 2004 eine Studie über den Obstbau in der Region erstellt hat.
„Sich miteinander vernetzen“ – das könnte für die Obstbauern eine Chance sein, hieß es. Und die ersten vorsichtigen Schritte werden dieser Tage getan. Das gemeinsame Gespräch ist einer davon. Ein Forum will auch der Förderverein Mittlere Havel bieten, am Ende könnte tatsächlich so etwas wie eine gemeinschaftliche Vermarktung stehen. Bernd Raueber gab sich überzeugt: „Wenn der Kunde gezielt regionale Produkte im Einkaufsmarkt ansteuern könnte, würde sich die Situation verbessern.“ Noch zu wenig seien Erzeugnisse aus der Havelregion kenntlich gemacht.
Neben der gemeinschaftlichen Vermarktung offenbarte sich in Groß Kreutz eine weitere Lösung, nämlich für die ungeklärte Nachfolge in den Betrieben. Thorsten Roksch verwies auf viele ambitionierte Studenten an seiner Fakultät, die sehr gern Praktika in der Havelregion absolvieren würden. Langfristig eine Chance: Wenn diese nach dem Absolvieren der Uni über fünf bis zehn Jahre als Juniorpartner im Gartenbau mitarbeiten würden, könnten sie die Jahrhunderte währende Tradition fortführen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: