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Von Henry Klix: Auf Kriegsorden umgesattelt

Mildes Urteil für Werderaner Waffensammler Udo H. / Staatsanwaltschaft wollte Haftstrafe

Stand:

Werder (Havel) - Die Hausdurchsuchung im Juni 2010 hatte in Werder für Wirbel gesorgt: Die Inselstadt wurde gesperrt, mehrere Häuser evakuiert, die Munitionsbergung kam mit schwerem Gerät. Und Udo H. aus Werder wurde seine Waffensammlung los. 33 Waffen und Waffenteile wurden in seiner Wohnung und Werkstatt auf der beschaulichen Inselstadt sichergestellt. Eine Maschinenpistole, drei Handgranaten, fünfzehn schussfähige Pistolen und Revolver, siebentausend Schuss Munition – die Aufzählung aus der Anklageschrift dauerte gestern mehrere Minuten. Der 55-jährige musste sich vor dem Potsdamer Amtsgericht verantworten.

Die Hoffnung der Staatsanwaltschaft, mit zwei Jahren und acht Monaten Haft ein abschreckendes Urteil zu bekommen, erfüllte sich nicht. Das Schöffengericht urteilte: zwei Jahre Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur dreijährigen Bewährung. Udo H. bekommt einen Bewährungshelfer an die Seite, muss 200 Stunden gemeinnützig arbeiten und sich psychiatrisch beraten lassen. Für den Rest seines Lebens ist ihm selbst der Besitz nicht genehmigungspflichtiger Waffen durch einen Erlass der Waffenbehörde untersagt. Er darf sich nicht mal einen Ehrendolch an die Wand hängen.

Der arbeitslose Mechaniker erklärte dem Gericht, dass die Militärgeschichte und das technische Interesse an Waffen aus dem 1. und 2. Weltkrieg seine Leidenschaft seien. Am Berufsleben kann er durch einen Motorradunfall, bei dem er einen Trümmerbruch im Bein erlitt, seit der Wende nicht mehr recht teilnehmen. Wegen eines Herzfehlers wurde er schon für den Wehrdienst bei der NVA ausgemustert. Wegen eines Fluchtversuchs hatte er 1974/75 in der DDR eingesessen. Seine kinderlose Ehe hielt ein Jahr, seine Eltern sind tot, Geschwister hat er keine.

Immerhin Freunde, die zur Verhandlung kamen. Auch mit der 30-jährigen Tochter seiner Vermieterin redet er viel. Die Vermieterin stundet die Miete, seitdem ihm das Geld vom Arbeitsamt gestrichen wurde: Bei der Durchsuchung am 7. Juni wurden 26 000 Euro gefunden – Geld, dass Udo H. nach seiner Aussage für einen Bekannten aufbewahrt hatte.

Der Angeklagte mit langen grauen Haaren, Schnurrbart und Jeansanzug wirkte reumütig. Bei der Urteilsverkündung bekam er feuchte Augen. Zum guten Bild trug Werders Bürgermeister Werner Große bei, den Udo H. gebeten hatte, auszusagen. Große wohnt 200 Meter entfernt, kennt Udo H. seit über 20 Jahren. Man treffe sich auf der Straße, trinke auch mal ein Bier. Als er vom Waffenfund hörte, war Große im Urlaub. „Als mir am Handy der Name genannt wurde, war ich gleich beruhigt.“ Udo H. sei „ein ganz ruhiger Patron“, habe sich immer „normal in der Stadt bewegt“ und sei dafür bekannt, im tiefsten Winter mit Jesuslatschen umherzuspazieren. Dass er sich mit Waffen auskennt, wisse man. „Dass er welche im Keller hatte, natürlich nicht.“ Im Gespräch sei Udo H. einsichtig gewesen.

Udo H. hat, wie er gestern erklärte, auf Kriegsorden umgesattelt. Etwa 100 habe er schon. Mit den Waffen habe er abgeschlossen. „Ich bin geheilt.“ Staatsanwalt Johannes Pickert traute dem Frieden nicht ganz. Das ganze Leben von Udo H. sei von Waffen dominiert. In seinem Plädoyer erinnerte er an eine Bewährungsstrafe von 1998 wegen illegalen Waffenbesitzes. Aus der Potsdamer Schützengilde flog er damals raus. „Das hat ihn offenkundig alles nicht beeindruckt“, so Pickert. Das Urteil müsse abschrecken. Nicht umsonst werde der Schusswaffenbesitz aus der Erfahrung zweier Weltkriege in Deutschland sanktioniert. Besonders der Besitz von Kriegswaffen, der Maschinenpistole und der Granaten wog aus Sicht der Staatsanwaltschaft schwer.

Udo H. beteuerte derweil, dass die Granaten keine Zünder hatten. Die Maschinenpistole – eine tschechische Skorpion, die seit den 60er Jahren produziert wurde, habe in den Kisten gelegen, in denen sich der Nachlass seines 1998 verstorbenen Vaters befand, offenbar auch ein Waffenfreund. „Die hat gar nicht in meine Sammlung gepasst.“ Die meisten seiner Waffen stammten aus dem 1. oder 2. Weltkrieg, so Udo H.: „Dachbodenfunde“ von Leuten, die sie vorbeibrachten. Er habe „die rostigen Klumpen“ dann restauriert.

Bernd P. von der Zollfahndung beschrieb als Zeuge, wie bei der Durchsuchung Waffenteile und Waffen an der Wand, in Schranknischen, Schubläden und Kisten in der Werkstatt gefunden wurden. Beim Auffinden war zwar nichts geladen. „Es lag aber genug Munition herum.“ Auch Schwarzpulver wurde gefunden und Substanzen, die man anfangs für Sprengstoff hielt. An der Drehbank hätten Läufe und ein Schalldämpfer gelegen. „Das sah aus wie eine Bastelecke.“

Keine aggressiven Tendenzen, kein politischer Hintergrund: „Der Angeklagte ist nicht mal im Ansatz ein Mensch, der rumballert“, befand Richterin Birgit von Bülow. Sie sah einen Werdegang mit tragischen Momenten. „Lassen sie sich beraten, was sie tun können, damit sowas nicht nochmal passiert.“ Das Orden sammeln sei schon mal ein positiver Start, so die Richterin. „Mit illegalen NS-Zeichen müssen sie aufpassen.“

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