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Potsdam-Mittelmark: Auf Stern von Bethlehem herumgelatscht? Kontroverse in Kirchengemeinde über Kunstinstallation der KG Iwan in der Caputher Stülerkirche

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Von Henry Klix Schwielowsee-Caputh. Sterne, Sterne, Sterne – 800 an der Zahl. Architekt August Stüler hatte 1852 die klassizistische Strenge der Caputher Kirche mit einem Sterngewölbe in der Apsis und einer Kassettendecke mit Sternornamentik stimuliert. Künstler dieser Tage antworteten auf die romantische Innengestaltung mit einem Teppich aus nachtblauem Patchwork, auf dem verschieden gezackte Sternapplikationen geschneidert sind. Drei Monate verdutzte die Installation der Potsdamer Künstlergruppe „KG Iwan“, zu der auch Sternen-Sitzkissen gehörten, die Besucher. Vom Eingang chauffierte das blaugelbe Dekor den Blick hinauf auf den marmornen Altar, bevor es am Freitag „abgerollt“ wurde. Stülers Sterne gleichsam auf die Erde holen wollten die drei Künstlerinnen um Monika Olias – so wie Stüler sie einst vom Firmament gepflückt haben mag. Eine „Erfrischungskur“. Doch wieviel künstlerisches Experiment verträgt ein Gotteshaus? Darf man jetzt über Stülers Sterne, gleichsam den Stern von Bethlehem, hinweglatschen, ihn mit Füßen treten, Straßenschmutz hinterlassen und ihm die Kehrseite zeigen? Darf der Altar blau bedeckt sein, das keine der liturgischen Farben ist? Ist das ganze nicht zu überfrachtet und überladen, zu verkürzt gedacht? In der Caputher Gemeinde streiten sich die Geister. Auch am Freitagabend, als Pfarrer Hans-Georg Baaske, Pate der Kunstaktion, zur Diskussion einlud und bissige Fragen und Kommentare zu hören bekam – aber auch Zustimmendes wie: „Man kann ja die Schuhe ausziehen.“ Im Podium neben Olias Leute vom Fach, die die Frage beantworten sollten, ob „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ (Schleiermacher) getroffen wurden: Pfarrer Christoph Neubert, Kunstbeauftragter der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg, und Klaus Büstrin, Leiter der Kulturredaktion der PNN, der nach einer wohlwollenden Rezension der Ausstellung mehrere böse Briefe aus Caputh bekommen hatte. „Nicht historisch perfekt, aber lebendig“, freute Neubert sich über die „Intervention“. Oben und unten – das sei relativ und die Sterne eben auch unter uns, gab er Iwan Recht. Immer habe die Kirche die Nähe zu den Künsten gepflegt, ohne das „Zwiegespräch“ lasse sie sich auch heute nicht denken. Auch wenn es keine Kunst brauche, um sich Gott zuzuwenden, lasse sich der Lobpreis doch intensivieren, ergänzte Büstrin – auch durch einen Läufer, der nicht den Anspruch hege, große Kunst zu sein. So war man sich auf dem Podium mit Pfarrer Baaske einig: Kirchgängern den blauen Sternenteppich auszurollen, ist ein warmherziges wenngleich undogmatisches Willkommen. Gemeinsam näherte man sich dem Gegenstand, was an dem „Versuch“ gescheitert sei, wo man, so Neubert, „vielleicht an Grundcodes festhalten muss, die ihren Sinn haben“. Ob das blau – theologisch die gottabgewandte Seite, das Unverfügbare – auf den Altar passt, darüber ließe sich tatsächlich streiten, gab man den Kritikern recht. Die aktuelle Fragestellung führe womöglich zu sehr alten Antworten, so Neubert – ein Orientierungsprozess, der das Gemeindeleben bereichern könne. Die himmlische Herrlichkeit, das Blut der Märtyrer, die Frucht des Glaubens, Buße und Umkehr – dass Kirchenaltäre, die christlichen Opferstühle, zu fest bestimmten Zeiten des Kirchenjahres weiß, rot, grün oder violett gedeckt sind, habe seinen guten Grund. Dass sich die Künstler dieser Farbsymbolik nicht bedienen wollten, ihre Sternsymbolik eher allgemein-poetischer Natur war, daraus machten sie selbst keinen Hehl. Insofern hatte man am Ende auch diesen oder jenen Kritiker überzeugt: Die grenzüberflatternden Applikationen waren eine „lässliche Sünde“, sie ernsthaft übel zu nehmen ginge zu weit. Und vielleicht können sie ja künftig, zumindest auf dem Boden, besonders feierlichen Anlässen einen wohligen Rahmen geben, wünscht sich Pfarrer Baaske.

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