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Urteil im Müll-Skandal: Aufstieg und Fall des Müllbarons
Im Prozess um einen der größten Müllskandale in Brandenburg seit der Wiedervereinigung ist der Hauptangeklagte zu einer Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden.
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Potsdam - Er hat mit seinen schmutzigen Geschäften Millionen gemacht – jetzt muss er ins Gefängnis. Vier Jahre und drei Monate lautete am Donnerstag das Urteil der Großen Strafkammer des Potsdamer Landgerichts für den „Müllbaron“ von Potsdam-Mittelmark.
Drei Jahre lang hatte der Transportunternehmer Bernd R. aus Bad Belzig in sechs Dörfern des märkischen Landkreises tonnenweise giftigen und belasteten Abfall entsorgt – so viel, dass zu Prozessbeginn das Verlesen der Anklageschrift länger als anderthalb Stunden dauerte. Beim Ausmaß der Umweltsünde hatte selbst die profilierte Potsdamer Strafverteidigerin Heide Sandkuhl ihrem Mandaten klarmachen müssen, dass er ins Gefängnis muss. Sie hatte dreieinhalb Jahre beantragt. Letztlich wog die in zwei Dutzend Ordnern gebündelte Beweislast so schwer, dass der 57-Jährige umfassend gestand und das Gericht reumütig um eine „gerechte Strafe“ ersuchte.
Die Geschichte des „Müllbarons“ Bernd R. ist die vom Aufstieg und Fall eines Mannes, der nach Ansehen gierte, der Verführung des Geldes erlag und nicht genug bekommen konnte. Es ist der Werdegang eines ehemaligen Polizisten, der es schon früher mit der Wahrheit nicht so genau nahm, als er 1991 beim Ausfüllen seines Personalbogens falsche Angaben zu seiner Stasi-Tätigkeit machte. 20 Jahre später hat er einen der größten Umweltskandale in Brandenburg nach der Wende zu verantworten.
Es ist die Karriere eines ehrgeizigen Unternehmers, der mit einem Lkw ins Recyclinggeschäft einstieg und in knapp drei Jahren nach Zählung der Staatsanwaltschaft 3 420 Lkw-Ladungen verbotenen Abfall auf kleinen Dorf-Deponien abkippen ließ. Mit mehr als 100 000 Tonnen Müll verseuchte er die märkische Erde und richtete einen Schaden von 73 Millionen Euro an.
Begonnen hatte alles damit, dass Bernd R. nach gescheiterter Polizeikarriere und nach Gründung seiner eigenen Recyclingfirma Aufträge bekam, in seiner Heimatregion um Bad Belzig sogenannte Bürgermeister-Kippen zu sanieren. Diese wilden Hausmüll-Halden aus DDR-Zeiten gab es auf nahezu jedem Dorf, ihre Rekultivierung wurde zunächst staatlich gefördert, für das zu verwendende Füllmaterial gab es klare Vorschriften – Boden, Bauschutt, Steine.
Als die erste Müllhalde unter einer grünen Rasendecke verschwunden war, schüttelte der Landrat für die gute Arbeit Bernd R. lobend die Hand. Es gab Folgeaufträge. „Meine Firma hatte ein gewisses Ansehen“, schilderte Bernd R. eitel dem Gericht. Doch als die Subventionen wegfielen, das Füllmaterial knapp, die Transportwege immer länger und somit teuer wurden, bekam Bernd R. Schwierigkeiten. „Ich hatte mich übernommen“, gestand er vor Gericht, um anschließend zu schildern, was bei der Sanierung alter DDR-Deponien offenbar System hatte.
Ein „Müllmakler“, ein Scout auf der Suche nach Orten zur billigen und vor allem illegalen Entsorgung teuren Mülls, schlug dem Deponie-Sanierer aus Bad Belzig ein Geschäft vor: keine Lieferengpässe mehr und schnelles Geld. Fortan schickten Firmen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt täglich ihre Mülltransporte in die Mittelmark und Bernd R. versenkte alles was anrollte: Kunststoffe, Textilien, Gips, Teer, selbst medizinischen Unrat.
Von der Zahlungsmoral seiner neuen Kunden überwältigt, entwickelte er einen ausgeprägten Arbeitseifer: Zwischen 2005 und 2007 kassierte er laut Ermittlungsakte 4,3 Millionen Euro. „Ich bin da nicht mehr rausgekommen“, bemerkte er kleinlaut auf der Anklagebank.
Von Unrechtsbewusstsein hat sich während der Müllpanscherei indes nichts gezeigt. Ehemalige Angestellte beschrieben den Ex-Polizisten wie einen Feldherren, der von Müllbergen aus die Lkw-Fahrer dirigierte und die Abläufe auf den Deponien streng überwachte. Widerspruch habe er nicht geduldet. Mitarbeitern drohte er mit Entlassung, wenn sie sich nicht an die Verschwiegenheit hielten, die er ihnen befahl.
Als in der kleinen Ortschaft Zitz Einwohner argwöhnten, dass auf der Deponie illegal Müll entsorgt werde, drohte R. mit Verleumdungsklagen. Er war ein Menschenfänger, der die Nöte und Probleme anderer für seine Zwecke missbrauchte – wie im Fall einer Mitarbeiterin des Amtes Wusterwitz, die mit ihren privaten Sorgen bei Bernd R. eine vermeintlich starke Schulter fand und sich für wöchentlich 250 Euro bestechen ließ, den „Müllbaron“ über geplante Deponie-Kontrollen zu warnen.
Er trickste und täuschte und schuf ein ausgeklügeltes System mit Scheinrechnungen, gefälschten Lieferscheinen und Buchungen. Sogar Laborergebnisse für Abfallproben ließ er manipulieren.
Dass die mittelmärkischen Behörden nichts gemerkt haben wollen und ihnen bei ihren Stippvisiten nichts anrüchig vorkam, ist schwer zu glauben. „Das Zeug hat gestunken“, beteuerte ein ehemaliger Deponie-Mitarbeiter im Zeugenstand, bei Kontrollen hätte das „definitiv auffallen müssen“. Doch drängte sich während des gesamten Prozesses immer wieder der Eindruck auf, dass in den zuständigen Amtsstuben die Aufsichtspflicht nicht sonderlich ausgeprägt war.
Dass es mit Bernd R. einen Unternehmer gab, der den Kommunen die Müllhalden abnahm, um sie zum Selbstkostenpreis zu rekultivieren, „muss aus Sicht der Ämter ideal gewesen sein“, befand Richter Frank Tiemann während des Prozessverlaufes. Anwältin Heide Sandkuhl erkannte, dass bei derart laxen Kontrollen Bernd R. „freie Fahrt“ hatte – die schließlich ins Gefängnis führte.
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