Potsdam-Mittelmark: Ausbruch gelungen
Traumberuf mit 42: Deutschlehrerin wird Bodypaint-Künstlerin
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Kleinmachnow - „Ich liebe meinen Job“, sagte Martina Augustin vor wenigen Wochen zu einer Kundin. Da wars passiert: Es war das erste mal in ihrem Leben, dass der Kleinmachnowerin diese Worte über die Lippen rutschten. Die studierte Lehrerin für Deutsch und Sport hat es geschafft. In ihrem 42. Lebensjahr gelang ihr der Ausbruch aus der eigenen Biografie. Sie verwirklicht sich in ihrem Traumberuf: Martina Augustin bemalt nun Menschen.
„Tigerdompteuse“, sagt Augustin und lacht, „das wollte ich nach dem Abitur ernsthaft werden.“ Sogar eine Bewerbung an den DDR-Staatszirkus hatte sie damals heimlich geschickt – ihr erster Ausbruchsversuch. Ihre Mutter fiel aus allen Wolken, als sie Wind von den Plänen bekam: Zirkus statt Studium – unvorstellbar. „Tja“, sagt die heutige Mutter einer 18-jährigen Tochter und zuckt mit den Schultern, „die suchten einen Dompteur, keine Dompteuse.“ So wurde sie Lehrer, wie ihr Vater. Sie studierte Deutsch und Sport – „das bot sich damals an“, sagt sie und hätte doch viel lieber Kunst studiert, schiebt sie hinterher.
Mit geradem Rücken sitzt Martina Augustin auf dem Sofa ihrer Wohnung. Auf ihren Wangen trägt sie ein leichtes Rouge, dazu hat sich die frisch gelernte Farb-, Stil und Make-Up-Beraterin eine feine, dunkle Steinkette um den Hals gelegt. Sie trägt Lila und Schwarz und mustert ihr Gegenüber genau. Immer wieder schweift ihr Blick von den Schuhen bis zu den Haaren, während sie über ihr Leben spricht.
Jahrelang fühlte sie sich unwohl an ihrer Schule in Berlin Marzahn. Später, 1990, als sie zum ersten Mal über die Tourismusmesse in Berlin wanderte, die vielen Kataloge der weiten Welt sah, den ersten Absprung wagte und für die Branche umlernte, wurde es besser, aber nicht perfekt. Ausgang auf Bewährung.
Die Lehrerin reiste um die Welt, erstellte Reisekataloge, suchte versteckte Hotels und testete Swimmingpools. „Das hört sich kreativer an als es ist“, sagt Augustin heute. Statt die Länder zu erleben, saß sie in klimatisierten Sterne-Restaurants und unterhielt sich mit Hotelmanagern. „Mir war das zu unkreativ.“ Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie ihre Gedanken in den Kundengesprächen abschweiften: Kürzere Haare, ein hellerer Lippenstift, Martina Augustin stellte sich vor, ihr Gegenüber zu verändern. Wollte Schokoladenseiten hervorheben und Schwachstellen kaschieren.
Vor zehn Jahren entschied sie sich über Nacht zum Bodypainting. An Wochenenden „beschmierte“ sie ihre Freundinnen. Erst ab und zu, später regelmäßig und professionell. Immer wieder kamen sie zu ihr und ließen sich im Wohnzimmer bemalen und für den Freund oder Ehemann ablichten. Es bestand ein Markt, erkannte Augustin – und fand so ihre Freiheit.
Im Abendstudium an einer Fernakademie holte sie sich Sicherheit und wurde ausgebildete Farb- und Stilberaterin. In zwei Wochen wird sie ihr eigenes Atelier in Berlin-Steglitz eröffnen. Schwangere Bäuche, Arme, Beine oder gleich der ganze Körper sollen ihr dann als menschliche Leinwände dienen. Vielleicht wird die Freiheit der Martina Augustin so ein Stückchen Freiheit für andere.
Infos unter www.color-your-life.de
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