Potsdam-Mittelmark: Ausflug zum Vampir auf den Südwestkirchhof Stahnsdorf Kunst und Kultur in einer „Langen Nacht" am 30. August
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Stahnsdorf. Dieser Ausflug garantiert Gänsehaut. So manchem Besucher wird sicher auch ein kalter Schauer über den Rücken laufen. Andere werden sich fest an den Händen halten und vielleicht ängstlich den Ausgang suchen. Die Veranstalter der „Langen Nacht Südwestkirchhof" versprechen jedenfalls ein aufregendes Programm. Zwischen 18 Uhr und der Geisterstunde sollen am 30. August möglichst viele Gäste den riesigen Südwestkirchhof in Stahnsdorf in einer ungewöhnlichen Atmosphäre erleben. 120 Mitwirkende werden mit unterschiedlichen Programmen an einige der hier begrabenen Berühmtheiten aus Politik, Kunst und Kultur erinnern. Zu ihnen gehört der Stummfilmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau. Sein bekanntestes Werk, die Dracula-Verfilmung „Nosferatu" von 1921, dürfte erstmalig auf einem Friedhof gezeigt werden. Wenn der grauenhafte Schlossherr, das führerlose Schiff mit Pest, Tod und Verderben an Bord oder die roten Male am Hals auf der Leinwand erscheinen, steigt sicher ganz von selbst der Puls. Das Familiengrab der Plumpes – so der bürgerliche Name des Künstlers – wurde erst vor einigen Monaten gründlich saniert. Die Büste auf dem Sockel überrascht oft die Besucher, zeigt sie doch ein junges Gesicht. Aber Murnau wurde tatsächlich nur 42 Jahre alt, er verunglückte in Kalifornien. Seine Familie ließ den Leichnam nach Deutschland überführen und in Stahnsdorf begraben. Weit weniger mystisch, aber ebenso geheimnisvoll geht es in der Nähe des Grabes von Engelbert Humperdinck zu. Denn bekannte Lieder aus der Märchenoper „Hänsel und Gretel“ werden von einem Trio gesungen und gespielt. Das Stück „Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh" erlangt möglicherweise an diesem Abend eine ganz andere Bedeutung. Denn das 206 Hektar große Friedhofsgelände gleicht bekanntlich in weiten Teilen einem Park und einem Wald, in dem sich viele Tiere zu Hause fühlen. Das Maxim Gorki Theater schickt in dieser Nacht Künstler nach Stahnsdorf, um Szenen aus der Bühnenfassung von „Effi Briest" zu zeigen. Kaum ein anderer Ort wäre identischer dafür, als das Grab der Baronin Elisabeth von Ardenne. Deren Schicksal diente Fontane schließlich als Vorlage für seinen Roman über Einsamkeit, Hoffnungen und Flucht. Fontane-Herausgeber Gotthard Erler liest mit seiner Enkelin außerdem Briefe zwischen dem Dichter und dessen Tochter Mete. In eine andere Epoche führt der Historiker Ulrich Schlie auf der sogenannten Speer-Straße hinter der Holzkirche. Ihren Namen erhielt die ungewöhnliche Ansammlung von 120 Grabdenkmälern nach Hitlers Generalbauinspektor Albert Speer. Er brauchte für seine gigantische Nord-Süd-Achse durch die geplante Welthauptstadt Germania viel Platz im Zentrum. In den Jahren 1938 bis 1940 wurden deshalb rund 33 000 Grabstätten aus dem Berliner St. Mattäus-Kirchhof Schöneberg nach Stahnsdorf umgesetzt. In der rund einen Kilometer langen Umbettungsstraße finden sich heute unter anderem die Erbbegräbnisse der Familien Langenscheidt und Reichelt. Ulrich Schlie stellt in der Nacht am 30. August nun zusammen mit mehreren Schauspielern die Verhöre von Speer durch den britischen und amerikanischen Geheimdienst nach. Andere Programme widmen sich dem Schauspieler Joachim Gottschalk, der Familie von Siemens, Heinrich Zille oder dem SPD-Reichstagsabgeordneten Rudolf Breitscheid. Den ganzen Abend werden Führungen durch die im Norweger-Stil gebaute Holzkirche, zu den englischen und italienischen Soldatenfriedhöfen, zur Begräbnisstätte der Schwedischen Victoriagemeinde und anderen Orte im Gelände angeboten. Vorträge und Filme befassen sich mit teilweise vergessenen Geschichten. „Natürlich respektieren wir auch zu dieser Veranstaltung die Würde dieses Ortes", versichert Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeld. „Aber der Südwestkirchhof ist einfach noch zu unbekannt, so dass wir durch diese Nacht auf uns aufmerksam machen wollen." st www.langenacht-suedwestkirchhof.de Eintrittskarten kosten 10 Euro und gibt es u.a. unter Tel.: (0 30) 851 61 62
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