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Rentner haben immer Zeit. Warum sollen sie also nicht in Kindergärten aushelfen können? Ganz pragmatisch sucht die Gemeinde Nuthetal jetzt Helfer, die für einen schmalen Taler Engpässe in den Einrichtungen abdecken können.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Aushilfsjob im Kindergarten

Nuthetal will Rentner und Studenten in Kitas schicken, um Fehlzeiten kranker Erzieher zu überbrücken

Von Eva Schmid

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Nuthetal - Ein Kind will gewickelt werden, ein anderes hat Hunger, das nächste schreit. Die Kitaerzieherin ist überlastet. Mal wieder muss sie viel zu viele Kinder betreuen, weil Kollegen krank sind. Die Nerven liegen blank. Ihre letzte Rettung: ein Griff zum Telefon und schon kommt ein Rentner oder Student und hilft aus.

So stellt man sich im Nuthetaler Rathaus die Arbeit mit dem neuen Helferpool für die örtlichen Kitas vor. Derzeit sucht die Verwaltung interessierte Anwohner, die zeitlich flexibel sind, Lust haben, mit Kindern zu arbeiten und im Notfall in den zwei Kindergärten der Gemeinde einspringen können. Die Idee ist neu und sie ist aus der Not geboren: „Im Februar sind bei uns kurzfristig neun Erzieherinnen auf einen Schlag ausgefallen“, sagt Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke). Gerade in Krankheitsfällen sei der Bedarf an schneller Hilfe hoch. Kurzfristig könne man dann nur schwer Ersatz an ausgebildeten Erziehern finden. Da kam Hustig – ganz pragmatisch – auf die Idee, einen Helferpool aufzubauen.

Als Erziehungshelfer würden demnach vor allem Rentner und Studenten infrage kommen. Sie sind zeitlich flexibel und haben genügend Zeit. „Ideal wäre es, wenn sich Erzieher oder Pädagogen melden, die gerade in Rente gegangen sind, aber noch gerne etwas machen wollen“, so Hustig. Die Gemeinde würde darauf achten, dass nur Personen mit einem geeigneten Lebenslauf die Kleinsten betreuen. Ehemalige oder angehende Lehrer, Krankenschwestern oder Sozialarbeiter würden infrage kommen. Bezahlt würden die Kräfte auf Honorarbasis. Zwei ältere Damen hätten sich bereits gemeldet, sagt Hustig. Insgesamt hoffe man auf fünf bis sechs Helfer.

Die Idee, einen Helferpool einzusetzen, hat sich die Nuthetaler Bürgermeisterin vom Land Brandenburg abgeschaut. Denn für Schulen gibt es bereits seit Jahresbeginn eine ähnliche Unterstützung: Fünf Millionen Euro als Vertretungsbudget stellt die Landesregierung bereit.

Damit können Schulen bei Ausfällen Lehramtsstudenten oder pensionierte Lehrer aktivieren, um Unterrichtsausfälle zu begrenzen, sagt Stephan Breiding, Sprecher des Sozialministeriums. Von der Landesbehörde kommt daher für das Nuthetaler Vorhaben nur Lob: „Ein Helferpool für Kitas ist grundsätzlich zu begrüßen“, sagt Breiding. Wichtig sei jedoch, dass der Kitaträger sicherstelle, dass alle Erzieherstellen nach dem Personalschlüssel besetzt seien. „Damit darf kein Regelbedarf abgedeckt werden.“ Mit den Helfern könne Kitapersonal sinnvoll entlastet werden. Wenn Nuthetal beweise, dass das Helferprojekt funktioniert, könnte das sogar landesweit als Beispiel dienen, so der Sprecher.

Dass sich damit ausgebildete Erzieher womöglich verdrängt fühlen oder die Qualität der Kinderbetreuung sinkt, glaubt Breiding nicht. Rentner und Studenten als Erzieherersatz – das führe nicht automatisch zu einer Abwertung der Erzieherausbildung, die im Land rund drei Jahre dauert. Laut Breiding gebe es einen großen Unterschied zwischen Fach- und Hilfspersonal. So dürften die Helfer in keinem Fall regulär und dauerhaft angestellt werden – sondern nur in Ausnahmefällen. In denen konnten in der Vergangenheit auch schon mal die Eltern der Kinder aushelfen.

Die Verantwortung für die Betreuung werden am Ende immer die Erzieher tragen, sagt Nuthetals Bürgermeisterin Hustig. Die Helfer würden sich nur gemeinsam mit Erziehern um eine Gruppe kümmern, niemals alleine.

So ist auch das Landratsamt dem Nuthetaler Vorstoß wohlgesonnen. Solange die Helfer reine Helfer bleiben, „ist ein derartiges Angebot durchaus eine Bereicherung“, so Stefan Kowalczyk vom zuständigen Fachdienst.

Vorsichtige Unterstützung findet das Nuthetaler Projekt sogar beim Bundesverband der Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland. „Man muss aber unglaublich aufpassen, dass das nicht zur Dauerlösung wird“, sagt Axel Lagner, Vizepräsident des Verbandes. Die Helfer dürften keine billige Alternative sein. Ein Helferpool könne Personalprobleme immer nur kurzfristig lösen – vielmehr sollten die Kommunen und das Land den Bedarf langfristig decken und den Personalschlüssel in den Einrichtungen erhöhen.

Der Schlüssel liegt derzeit in Brandenburg für Krippenkinder bei 1:6, im Kindergarten werden zwölf Kinder von einem Erzieher betreut. Das reicht nicht immer, weiß auch Nuthetals Bürgermeisterin: „Ich kann aber nicht fünf weitere Erzieher einstellen, um alle Engpässe auszugleichen“, so Hustig. Ein kommunaler Träger müsse wirtschaftlich denken, daher halte sie sich an den vom Land gesetzlich vorgegebenen Betreuungsschlüssel. Erst jüngst wurde der von der Bertelsmann-Stiftung bei einer Untersuchung einiger Potsdamer Kitas jedoch als unzureichend kritisiert.

Unklar ist bisher noch, wie viel Geld die Helfer in Nuthetal für ihre Mühe bekommen sollen. „Wir wollen erst mal sehen, wie viele Interessierte sich melden, dann machen wir uns Gedanken, was wir zahlen können“, sagt Hustig. Mit Unterstützung vom Land oder Kreis kann die Bürgermeisterin indes nicht rechnen. Die Kommune müsse ihren Helferpool voraussichtlich selbst finanzieren.

Wer Interesse hat, in den Kitas in Bergholz-Rehbrücke und Saarmund auszuhelfen, kann sich im Rathaus unter Telefon (033200) 20410 oder auch per E-Mail bei andrea.bade@nuthetal.de melden.

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