Potsdam-Mittelmark: Aussteigen, um zu helfen
Ulrike Kochan aus Bergholz-Rehbrücke hat in Pakistan einen Kindergarten mitaufgebaut
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Nuthetal - Ulrike Kochan hat sich einen Traum erfüllt. Sie hat sich einen Ausstieg auf Zeit gegönnt, hat Familie, Beruf und ihr seit Jahren vertrautes Umfeld verlassen und ist für zehn Monate nach Pakistan gegangen. Dort wollte sie etwas Neues erfahren und hat dies im Wohlbekannten gefunden.
In Bergholz-Rehbrücke hat Ulrike Kochan ihr Zuhause. Zusammen mit ihrem Mann, ihrer 22-jährigen Tochter und dem 16-jährigen Sohn. Anfang vergangenen Jahres begann Ulrike Kochan ihren langjährigen Traum in die Tat umzusetzen. Die Familie unterstützte sie in ihrem Vorhaben, der Potsdamer Waldorfkindergarten, in dem die 50-Jährige seit 15 Jahren arbeitet, gewährte ihr ein so genanntes Sabbatjahr.
„Ich hatte kein festes Ziel“, sagt Ulrike Kochan. Sie suchte das Unbekannte und wollte helfen. Sie nahm Kontakt mit verschiedenen Hilfsorganisationen auf. Am Rande von Lahore, der zweitgrößten Stadt in Pakistan, wenige Kilometer von der indischen Grenzen entfernt, fand sie dann ein Projekt, das ihren Vorstellungen entsprach. Ein deutsch-pakistanisches Ehepaar betreut dort über 30 Menschen mit Behinderung. Als Ulrike Kochan im August vergangenen Jahres in Lahore ankam, war man vor Ort jedoch gerade mit einem neuen Projekt beschäftigt.
„Ein Haus, das eigentlich für pensionierte Mitarbeiter erbaut wurde, stand schon längere Zeit leer. Da alte Menschen in Pakistan ihren Lebensabend in der Familie verbringen, sollten in dem Haus nun eine Schule und ein Kindergarten eröffnet werden“, erzählt Ulrike Kochan. Und so begann die gelernte Erzieherin, die seit 15 Jahren in einer Potsdamer Waldorf-Kita Kinder betreut, auch in ihrem Aussteigerjahr in Pakistan mit Kindern zu arbeiten.
„Am Anfang waren die Kinder sehr schüchtern, ganz ohne Selbstvertrauen“, erinnert sich Ulrike Kochan. Das bereitgestellte Spielzeug wurde erst gar nicht angefasst. Doch Ulrike Kochan ließ sich davon nicht entmutigen. Sie nahm sich Zeit und es dauerte nicht lange, da spielten die Kinder ausgelassen, wie in jedem anderen Kindergarten. Ulrike Kochan hat mit den Kindern gesungen und getanzt, zusammen haben sie Puppen und eine Bühne gebastelt für ein gemeinsames Marionettentheaterstück und versucht, für eine kurze Zeit das Schicksal zu vergessen.
Auf einem ihrer zahlreichen Fotos zeigt Ulrike Kochan auf ein kleines Mädchen, dessen Mutter gelähmt ist. Die Mutter eines anderen Kindes ist längst verstorben, in einer anderen, kinderreichen Familie ist der Vater schwerkrank. Ulrike Kochan konnte noch mehr dieser Schicksale aufzählen. Sie hat die starke Armut in vielen Familien hautnah erlebt, sie hat an Gesprächen mit Frauen teilgenommen, die jegliche Hoffnungen aufgegeben haben. „Regelmäßig finden dort Müttertreffen statt“, erzählt Ulrike Kochan. Bei einem wurden die Frauen nach ihren Träumen gefragt. Eine sagte, sie habe das Träumen schon als Kind aufgegeben, weil ihr nie auch nur ein Wunsch erfüllt worden sei. Eine andere sagte, sie sei längst tot, sie wolle nur noch ihre Kinder großziehen.
Neben den vielen schönen Erlebnissen, der herzlichen Gastfreundschaft und der Freude der Kinder sind es solche Erinnerung, die Ulrike Kochan noch heute stark aufwühlen. Seit Juni ist sie wieder zurück. Und sie ist dankbar wieder hier zu sein. Doch Pakistan lässt sie nicht mehr los. Sie will von hier aus helfen. Spenden sammeln und für Patenschaften werben. Schon ein paar Euro im Monat könnten einem Kind in Pakistan ermöglichen zur Schule zu gehen. Manchmal braucht es nicht viel, um zu helfen.
Ulrike Kochan hält morgen um 19.30 Uhr in der Bergholz-Rehbrücker Kita „Anne Frank“, Eichhörnchenweg 51, einen Bildervortrag über ihren zehnmonatigen Aufenthalt in Pakistan.
Dirk Becker
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