
© Thomas Lähns
Potsdam-Mittelmark: Auszeit im Lehniner Kessel
Neuer Wasserwanderrastplatz am einstigen Ziegeleihafen. Havelgemeinden eröffneten die Tourismussaison
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Potsdam-Mittelmark – Der „Lehniner Kessel“ liegt ein wenig versteckt an der Straße nach Golzow. Erst wenn man auf den neu angelegten Parkplatz einbiegt, offenbart sich ein weitläufiger Blick über den von Bäumen gesäumten idyllischen See, der den südlichsten Zipfel des Emsterkanals markiert. Einst befand sich hier ein Hafen, an dem die hiesigen Ziegeleien ihre Steine auf Lastkähne verladen und dann über die Havel nach Berlin verschiffen ließen. Heute ist es ein anderer Wirtschaftszweig, der vom Kessel aus Geld in die Kassen der Lehniner spült: der sanfte Tourismus. Kanuten, Kajakfahrer und Ruderer starten hier zu ausgiebigen Touren über Netzener und Rietzer See bis zur Havel – oder sie finden umgekehrt den Weg nach Lehnin, rasten in den Hotels und besuchen die Sehenswürdigkeiten des Ortes.
Wie die Lehniner haben auch die anderen Havel-Kommunen die Potenziale erkannt, die mit den Flüssen und Seen vor der eigenen Haustür liegen. Zehntausende Wasserwanderer und Bootsurlauber strömen Jahr für Jahr in die Region und mittlerweile wird ihnen eine immer bessere Infrastruktur geboten. 172 Anlegestellen gibt es entlang der Havelseen in der Region, viele sind mit Restaurants und Service-Einrichtungen verbunden. Gestern ist eine weitere hinzugekommen. Für 124 000 Euro aus Eigen- und EU-Mitteln hat die Gemeinde Kloster Lehnin einen Wasserwanderrastplatz mit acht Liegeplätzen für Boote sowie zwei Pavillons am Ufer errichtet. In Verbindung mit der Einweihung hat die Wassersportinitiative „Potsdamer und Brandenburger Havelseen“ (WiR) die diesjährige Wassersportsaison eröffnet.
Vor sieben Jahren haben sich die Havel-Städte Potsdam, Brandenburg, Werder und Ketzin sowie die Gemeinden Schwielowsee, Groß Kreutz und Kloster Lehnin zu diesem Interessenverband zusammengeschlossen. „Wir vertreten unser herrliches Fleckchen Erde mittlerweile weltweit“, erklärt Werders Erste Beigeordnete Manuela Saß am Freitagvormittag.
Die Vermarktung der 180 Kilometer befahrbarer Gewässer und insgesamt 40 Seen auf Messen, im Internet und der Fachpresse ist eine wesentliche Aufgabe, die man sich auf die gemeinsame Fahne geschrieben hat. Der Ausbau der Infrastruktur ist eine weitere. Erst im vergangenen Jahr sind in den sieben WiR-Kommunen Infotafeln mit Angaben zum jeweiligen Ort und den Freizeitmöglichkeiten aufgestellt worden. Das Ziel: mehr Freizeitkapitäne zum Landgang zu bewegen.
Dafür sorgen aber nicht nur die Kommunen, sondern vor allem auch Privatleute – so wie der Phöbener Fischer Burkhard Freidank. Zusammen mit dem Förderverein Mittlere Havel will er einen Wasserwanderrastplatz in der Hauptstraße des Werderaner Ortsteils errichten. Die Nachfrage sei einfach da, erklärt er. Für das Projekt mit Servicegebäude, Freifläche und Steg liegt mittlerweile eine Bauvoranfrage im Werderaner Rathaus vor. Endgültig entscheiden darüber muss aber der Landkreis.
Potsdam-Mittelmarks Vize-Landrat Christian Stein (CDU) begrüßt solche Initiativen. Leider gebe es aber vor allem außerhalb der Ortschaften hohe naturschutzrechtliche Hürden für den Bau von Stegen. „Man müsste Projekte im Rahmen des sanften Tourismus als privilegierte Vorhaben behandeln“, schlägt er vor. Dafür jedoch müsste die Brandenburgische Bauordnung novelliert werden. Der Wassertourismus sei für Potsdam-Mittelmark ein wichtiger Wirtschaftszweig, erklärt Stein, vor allem gewinne er in Verbindung mit dem Radtourismus enorm an Bedeutung. Deshalb würde auch die Eröffnung von Ausleihstationen für Boote entlang wichtiger Radlerpisten wie dem Havelradweg im Abschnitt zwischen Werder (Havel) und Brandenburg/Havel Sinn machen.
Es ist – im Vergleich zu früher – also nicht einfacher geworden, die Havel-Gewässer wirtschaftlich zu nutzen. Allerdings waren es zu Ziegel-Zeiten vor allem körperliche Mühen gewesen, welche die Havel-Anwohner auf sich nehmen mussten. Lehnins Ortsvorsteher Frank Riewar weiß zu berichten, dass die Steine, die damals mit der Schmalspurbahn aus Rädel oder Michelsdorf angeliefert wurden, mühsam auf Schubkarren über Holzbohlen zum Hafen gebracht werden mussten. „Ein Mann schaffte damals rund hundert Karren am Tag“, erklärt er. In Anbetracht des steilen Hanges am Kessel kann man erahnen, welche Kraft nötig war. Und die Ziegelsteine, die noch heute unterhalb der Wasseroberfläche im Schlick schimmern, beweisen, dass so mancher kurz vor dem Ziel schlapp gemacht hat.
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