
© Enrico Bellin
Wilhelmshorster Bahnhof: Bahnhof wird Kulturzentrum
Wilhelmshorster renoviert 100-jährige Station. Dort soll ein Trampolin-Verein entstehen.
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Michendorf - Die Front des Wilhelmshorster Bahnhofes schimmert in frischem Rot, aus dem geputzte Feldsteine herausragen. In den Bahnhof, der seit mehr als 20 Jahren leer stand und dessen grauer Putz abblätterte, zieht neues Leben ein. „Das ist die Farbgebung, die der Architekt Albert Gessner einst für seinen Bahnhof vorgesehen hat“, sagt Maik Nadolny. Der gebürtige Wilhelmshorster hat das Gebäude vor zwei Jahren von der Deutschen Bahn gekauft und erneuert es seither schrittweise. Die Frontfassade hat er jüngst saniert, die Seiten sollen zügig folgen.
Fast fertig ist der Saal in einem Bahnhofsanbau. In dem soll ein neues kulturelles Zentrum für den Ort entstehen. Die Kleine Bühne Michendorf habe schon angefragt, ob sie dort Lesungen veranstalten und Theaterstücke proben kann. Gelegentlich sollen Live-Musiker spielen, einmal im Monat soll es zudem ein Kinderkino geben. „Wir haben ja keinen Jugendclub im Ort, da ist das für die Kinder sehr wichtig“, so Nadolny.
Neben dem Bahnhof soll zudem ein großes Trampolin mit vier Feldern aufgebaut werden, Nadolny plant, einen Verein für den Sport zu gründen. „Mein Sohn springt selbst gern, und in Potsdam und der Umgebung gibt es noch keinen derartigen Club.“ Derzeit sei er mit Trainern der Sportschule am Potsdamer Luftschiffhafen im Gespräch, die im nächsten Jahr in Wilhelmshorst mit den Kindern üben könnten.
Auch einen Jugendclub will Maik Nadolny auf seinem Grundstück einrichten: Neben den Bahngleisen ist im hinteren Teil des Grundstücks, weit weg von den Blicken der Erwachsenen, ein alter Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg erhalten. Er gehörte wahrscheinlich einst zu einer Anlage für Strafarbeiter, die in Baracken rund um den Bahnhof untergebracht waren. Die etwa vier mal sechs Meter große Betonhöhle können sich die Teenager selbst einrichten, „wir haben früher für so was auch einfach ein Sofa vom Sperrmüll geholt“. Den Eingang, der derzeit noch fast komplett mit Erde verfüllt ist, will Nadolny in den nächsten Wochen freigraben. Bagger habe er schließlich sowieso auf der Baustelle, in zwei Wochen sollen die Bauarbeiten für einen Toilettenanbau beginnen.
Der soll L-förmig an die rechte Bahnhofsseite anschließen, sodass sich ein Innenhof ergibt, der vom Saal aus betreten werden kann. Bis Anfang Oktober soll das Haus fertig sein, hinter dem dann im kommenden Jahr der Kinderspielplatz mit dem Trampolin bereitstehen könnte. Der Trampelpfad zu den Gleisen, der von den Wilhelmshorstern derzeit als Abkürzung zum Bahnsteig genutzt wird, wird dabei überbaut. „Wir werden aber einen neuen Zugang anlegen und betonieren, der dann in das Eigentum der Stadt übergeht“, sagt der Bahnhofsbesitzer.
Die schrittweise Erweiterung passt zur Bahnhofsgeschichte. So liegt der Festsaal in einem Anbau, der zu DDR-Zeiten als Fahrradschuppen angebaut worden war. Die oberen Ränder des Saals sind mit Sandsteinbögen verziert, um das von Albert Gessner – der in Wilhelmshorst ganze Siedlungen entworfen hat – gestaltete Muster an der Außenmauer aufzugreifen und zu verdeutlichen, dass der Raum den Bahnhof erst später ergänzte. „An dem Bahnhof hängt mein Herzblut, ich habe hier schon als Kind mit meinen Freunden Verstecken gespielt“, so Nadolny
Da er auch neue Büroräume für seine Baufirma gesucht hat, habe sich der Kauf des vor 100 Jahren auf Wunsch der Wilhelmshorster gebauten Bahnhofes angeboten. Dieser musste komplett entkernt und neu ausgebaut werden. Die Gespräche mit der Bahn waren teilweise recht anstrengend, da fünf verschiedene Tochterunternehmen ihm grünes Licht für die Arbeiten geben mussten. Jetzt habe die Bahn aber nur noch Wegerecht und keine Einrichtungen im Bahnhof mehr.
Im Obergeschoss hat der 43-Jährige drei Büroräume eingerichtet. Im Erdgeschoss gibt es einen Empfangsraum mit Tresen und eine Küche, an die sich ein etwa 50 Personen fassender Saal anschließt. Dort präsentiert derzeit der Verein der „Freunde und Förderer der Wilhelmshortser Ortsgeschichte“ eine Ausstellung zum Thema „Bahnhof in der Kunst – Kunst im Bahnhof“. Wie genau die Zusammenarbeit mit dem Verein einmal aussehen wird, muss sich dem Bauunternehmer zufolge noch zeigen. Ein Fest zum 100. Bahnhofsjubiläum gab es Anfang des Monats bereits.
Ob der früher von 900 Reisenden täglich genutzte Bahnhof auch wieder für Pendler offen stehen wird, ist derzeit noch unklar. „Es gab schon Gespräche, dort einen Imbiss und ein Café unterzubringen.“ Zwar würde sich das für einen Vollzeitbetrieb wohl kaum rechnen. Nadolny kann sich aber vorstellen, das Foyer beispielsweise einem älteren Ehepaar kostenlos zur Verfügung zu stellen, dass im morgendlichen Berufsverkehr einen Imbiss anbieten will.
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