Potsdam-Mittelmark: Bald auch Hopfen von der Insel
Werderaner Bier aus dem „Adventskalender“: Auf den Spuren einer alten Tradition
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Werderaner Bier aus dem „Adventskalender“: Auf den Spuren einer alten Tradition Von Kirsten Graulich Werder – Meist verbirgt sich Süßes hinter den Türen eines Adventskalenders. Doch hinter der 16.Tür, die Bürgermeister Werner Große am Donnerstag öffnete, gab es außer weihnachtlichen Leckereien auch ein edles Hopfengetränk, das einst als „Nahrbier“ neben Obst und Ziegeln zu den Exportschlagern der Havelstadt zählte. Von dieser Tradition kündet noch das Alte Brauhaus in der Straße Unter den Linden, das speziell zum Advent ein Türchen öffnete. Täglich präsentieren sich seit 1. Dezember historische Gebäude im Land Brandenburg, die sonst für Publikum nur eingeschränkt zugänglich sind. Bundesweit will die einmalige Aktion der „Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen“, damit auf die schönen altehrwürdigen Gemäuer hinweisen. Der Weihnachtsmann als Turmbläser lockte in Werder viele Neugierige, die sich kurz nach 14 Uhr durch die Tür mit der großen 16 drängten, um die sanierten Gewölbe und Räume mit Säulen zu besichtigen, aber auch um von der Terrasse den Ausblick auf Föhse und Insel genießen zu können. Während in die unteren Etagen Geschäfte und Büros einzogen, sind die oberen Räume, etwa 1500 Quadratmeter, noch zu haben. Die gelbe Klinkerfassade mit hellen Putzfeldern verweist auf die „Kathedralen der Arbeit“ des 19. Jahrhunderts, denn das 1887 erbaute Brauhaus diente als Lagerhaus. Sudpfanne und Läuterbottich sucht man also vergeblich, trotzdem schrieb das Bauwerk einen Teil des berühmten Bierkapitels mit, das sich verlegen in das Obstkapitel schob, wie der Dichter Theodor Fontane einst feststellte. Dem Gerstensaft schien Fontane sehr zugetan, denn er schwärmte: „Die Werdersche hier hat einen festen, drei Finger breiten Schaum; feinfarbig, leicht gebräunt, liegt er auf der dunklen und doch klaren Flut“. Den Lobgesang des Dichters können Anhänger des Gerstensaftes nun noch besser verstehen, seit das süffige Bernsteinfarbene mit 4,8 Prozent Alkohol wieder in aller Munde ist. Denn beim Blütenfest im Frühjahr diesen Jahres floss das „Werdersche Bier“, wie es der Volksmund nannte, erstmals wieder aus dem Zapfhahn. Gebraut zwar in der Braumanufaktur „Forsthaus Templin“, aber mit Wasser aus Werder. Etwa 80 Jahre mussten die Werderaner darauf warten, denn 1916 besiegelte ein Konkurs den Niedergang der Vereinigten Werderschen Brauereien, weil die Konkurrenz von Löwenbräu und Kindl zunehmend drückte, wie Stadtchronist Dr. Baldur Martin den Besuchern des Brauhauses berichtete. Doch zuvor hatte der Gerstensaft reichlich Geld auch in die Stadtkasse gespült. Werders Bürgermeister Dümichen schrieb einst schlitzohrig, man käme nirgends bequemer zu Einnahmen als durch die Biersteuer. Wenige Zeilen später bekannte er, dass die Schankwirtschaften und Brauereien durch die vielen Steuern an der Grenze des Zumutbaren angelangt seien. Der Werderaner Hopfentrunk rann auch deshalb reichlich durch die Kehlen, weil es als „Gesundheitsbier“ galt: reich an Extrakt und nicht berauschend, wie die Brauerei Schultze und Hildebrand warb. Besonders geeignet für Blutarme, Wöchnerinnen und zur Stärkung von Bedürftigen pries sein Produkt auch Brauereichef Georg Bauer, der das Alte Brauhaus erbauen ließ, nebst Eiskeller mit 1,85 Meter dicken Wänden zum Kühlen des Gerstensaftes. Die Eisblöcke wurden im Winter aus der nah gelegenen Föhse gesägt und in Stangen zum Keller transportiert. Nun haben die Werderaner dank Braumeister Jörg Kirchhoff ein neues Bierkapitel aufgeschlagen, dessen sichtbare Zeichen im Frühjahr auch auf der Insel zu sehen sein werden. Dort will Kirchhoff Werderschen Hopfen anpflanzen, das milde Klima, hofft er, wird das Vorhaben begünstigen.
Kirsten Graulich
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