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Potsdam-Mittelmark: Beelitzer Spargelfans aus Polen und von hier

2500 Saisonarbeiter machen Spargelwirtschaftswunder möglich / Bauern im Sander planen Saisonerweiterung auf ihren Höfen

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2500 Saisonarbeiter machen Spargelwirtschaftswunder möglich / Bauern im Sander planen Saisonerweiterung auf ihren Höfen Von Henry Klix Beelitz. Dass der Pole Robert Syvkowski so gut deutsch sprechen kann, hat einen guten Grund: Seit fünf Jahren kommt er zur Spargelsaison nach Beelitz. „Wenn man will, lernt man dabei auch deutsch“, sagt er. Urlaubszeit und Überstunden nimmt der Kfz-Mechaniker aus Grudziadz, einer 300000 Einwohnerstadt im Nordosten Polens, um sich im Beelitzer Sander ein Zubrot zu verdienen. Etwa 500 Euro verdient der 29-Jährige in Polen, in Beelitz kommt, wenn er sich anstrengt, mehr als das Doppelte zusammen. Die Lohnsteuer packt sein Arbeitgeber oben drauf. Dafür rackert Syvkowski von morgens bis abends und an den Wochenenden in gebückter Haltung zwischen Schönefelder Bruch und Riebener Wiese, schiebt sein grünes Wägelchen die endlos langen Wälle entlang, sucht, wo eine Spitze aus dem Boden schaut, gräbt, zieht gekonnt einige weiße Stangen aus dem Sand und klopft danach die Erde mit der Folie wieder fest. Eine Arbeit, die kein deutscher Arbeitnehmer machen möchte. Die Polen sind die Hauptakteure in der Spargelzeit im Sander, ohne sie läuft auf den mittlerweile 940 Hektar Anbaufläche rund um Beelitz nichts mehr. Knapp 2500 Polen sind in den nächsten Wochen hier tätig. Syvkowski ist einer von etwa 150 Stechern des neuen Spargelhofes Nieplitztal, auf dem gestern bei bestem Spargelwetter die Saison eröffnet wurde. Innenminister Jörg Schönbohm, Landwirtschaftsminister Wolfgang Birthler, Landrat Lothar Koch, Bürgermeister Thomas Wardin, die Spargelkönigin Katrin Jakob und weitere Prominenz aus der Region gaben den Startschuss für die schönste Zeit im Beelitzer Jahreskalender. Nur ein Vertreter der polnischen Seite fehlte – es gibt wohl einfach zu viel zu tun. Ein Eindruck, den Karl Ludwig Syring bestätigte. Bereits Karfreitag wurden die ersten Stangen in den Reihen des Spargelhofes Nieplitztal gestochen, sagte der Zauchwitzer Spargelbauer, der die GbR im vorigen Jahr mit seinem Schäper Kollegen Josef Jakobs aus der Taufe hob. „Wir hatten mit doppelwandiger Folie experimentiert und konnten deshalb schon etwas früher verkaufen.“ Mittlerweile wurde die Ernte auf 70 Prozent der Kapazität hochgefahren, in den nächsten Tagen geht es weiter rauf. Das Kilo Spargel der ersten Handelsklasse kostet am nördlichen Ortseingang von Beelitz 7,50 Euro, für 5,50 Euro bekommt man auch schon gute Qualität. Schon in der nächsten Woche würden die Preise nach dem ersten Ansturm etwas zurück gehen, glaubt Syring. Wie die anderen 16 Spargelbauern entlang der Spargelstraße setzt man auch auf dem Nieplitztaler Hof auf die Direktvermarktung. Etwa 75 Prozent des Ertrags werden direkt vom Hof oder in den Marktbuden der Bauern verkauft, der Rest geht an Handel und Gastronomie. So sind auch Syring und Jakobs bemüht, den Besuch des Spargelhofs zu einem Erlebnis für die Gäste zu gestalten. Am Rande der Felder lockt ein buntes Treiben. Streichelzoo, Kutschfahrten, ein Kräutergarten, die Gläserne Produktionsstecke und ein Restaurant mit etwa 100 Plätzen sind Teil des Programms, das man gern auch über das Saisonende am 24. Juni hinaus ausdehnen möchte. „Dann gibt es zwar keinen Spargel mehr, aber durchaus andere ansprechende Erzeugnisse der Landwirte aus der Region“, sagt Syring. Eine Idee, die auch der mit 300 Hektar größte Anbaubetrieb der Region, die Buschmann & Winkelmann GbR in Klaistow, in diesem Jahr verfolgen möchte, wie Co-Geschäftsführer Ernst-August Winkelmann erklärte. Mit neuer Hofbäckerei, Naturwildgatter, Kinderspielplatz mit Riesenhüpfkissen, Mini-Zoo und Waldwanderungen möchte man bis in den Herbst hinein die Gäste nach Klaistow locken. Leckere Beeren und Pilze sollen dann an die Stelle von Spargel treten, so Winkelmann. An diese Zeit wollte gestern noch niemand denken. Stimmungsvoll wurde die Saison unter den Blicken von etwa 200 Beelitzer Spargelfans eingeläutet, während die Polen auf den Feldern schwitzten. Der Alte Fritz und der Müller von Sanssouci alias Frank Rawel und Andreas Flügge von BB-Radio erinnerten immerhin humorvoll daran, wem das Spargelwirtschaftswunder auf den „7 Millionen preußischen Quadratruten“ mit zu verdanken ist. Dass sich ab 1. Mai, wenn Polen der EU beitritt, der Spargel „erledigt“ habe, wie die beiden witzelten, konnte der Vorsitzendes des Beelitzer Spargelvereins, Manfred Schmidt, allerdings nicht bestätigen. „Wenn wie für Arbeitnehmer anderer EU-Länder Sozial- und Rentenabgaben fällig würden, könnte es schwierig werden“, so schmidt Doch gottseidank gebe es Übergangsregelungen bis 2010 für Arbeitnehmer der Beitrittsländer. Bis dahin werde alles beim Alten bleiben. Was passiert, wenn die „Neuen“ in der EU gleich behandelt werden, möchte Schmidt allerdings nicht voraus sagen. Doch auch Robert Syvkowski sieht seine Saisonarbeit in Deutschland erst mal nicht gefährdet. Die Beantragung eines Einreisevisums werde entfallen, freut er sich. Darüber hinaus wird es auch für ihn dabei bleiben, dass er mit seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter den 500 Kilometer langen Weg nach Deutschland nimmt und freudig die 60 bis 70 Cent pro gestochenem Kilo entgegen nimmt. Und dass sich die Familie in der dreistündigen Mittagspause an Spargelsuppe, Spargelsalat und Spargel mit Sauce Hollandaise satt ist. Nein, am Ende der Saison, wenn er zurück in Polen ist, könne er keinen Spargel mehr sehen, lacht der Mann aus Grudziadz. Darin, wie er weiß, gleicht er den deutschen Fans des Beelitzer Edelgemüses.

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