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Wenn die Wölfe kommen: Bellen gegen Isegrim

Immer mehr Schäfer setzen im Kampf gegen den Wolf auf Herdenschutzhunde – doch die sind teuer

Von Eva Schmid

Stand:

Groß Kreutz - Da hat Isegrim den Schäfer mal wieder ausgetrickst: Erst vor wenigen Wochen sind Wölfe im Beelitzer Ortsteil Birkhorst durch einen Elektrozaun gerobbt. Fünf Schafen wurde die Kehle aufgerissen. Vor drei Jahren waren in der Nähe von Kloster Lehnin 15 Lämmer dran. Es sah aus, als „hätte jemand mit einer Schrotflinte um sich geschossen“, erinnerte sich damals der Schäfer aus Planebruch. Wäre unter den Schafen der Pyrenäenberghund gewesen, hätte der Wolf womöglich gar nicht erst angegriffen.

Rund 40 Prozent der knapp 350 Landwirtschaftsbetriebe mit Schafhaltung in Brandenburg setzen bereits auf den Einsatz von Herdenschutzhunden, Tendenz steigend. Auf der jährlichen Fachveranstaltung, dem Groß Kreutzer Schaftag, beraten rund 300 Mitglieder des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg und weitere 80 hauptberufliche Schäfer am heutigen Mittwoch in Groß Kreutz über den Hundeeinsatz gegen die wachsende Wolfspopulation. Im Gegensatz zu den Hütehunden, die Schafherden zusammenhalten und den Tieren auch mal ins Schienbein beißt, lebt ein Herdenschutzhund mit den Schafen und verteidigt sie vehement gegen Angreifer.

Der Schutz hat seinen Preis: Rund 2000 Euro pro Jahr müssten Schäfer für Futter und Medikamente pro Tier ausgeben. Und mit einem Aufpasser ist es nicht getan. Auf eine Schafherde sollten zwei Hunde kommen. „Solche Ausgaben bei einem Jahreseinkommen von 15 000 Euro sind existenzbedrohend“, sagt der Vorsitzende des Schafzuchtverbandes, Knut Kucznik. Viele der Schäfer würden sich gerne besser schützen, könnten sich das aber nicht leisten. Daher fordert Kucznik, dass Anschaffung und Unterhalt vom Land bezahlt werden sollen. „Wenn die Gesellschaft den Wolf hier haben will, muss uns die Politik unsere Aufwände ersetzen.“ Kucznik ärgert es besonders, dass in anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Herdenschutzhunde bereits gefördert werden.

Auch das in Brandenburg zuständige Umweltministerium geht in seinem Wolfsmanagementplan davon aus, dass die Kombination von Schutzhund und Elektrozaun der wirksamste Schutz gegen den Wolf ist. Seit 2008 fördert das Ministerium mit rund 300 000 Euro Präventionsmaßnahmen. Darunter fallen aber hauptsächlich technische Anschaffungen, sprich Zäune. Am Dienstag war auf Anfrage beim Ministerium nicht herauszubekommen, ob Herdenschutzhunde zukünftig gefördert werden könnten. In dem seit diesem Jahr geltenden Wolfsmanagementplan steht, dass eine „punktuelle Förderung von Herdenschutzhunden“ derzeit noch nicht möglich sei. Bei der Erarbeitung des Planes wurde aber gefordert, dass für sämtliche Präventionsmaßnahmen ein Rechtsanspruch auf vollständigen finanziellen Ausgleich geschaffen werden sollte.

Für den Vorsitzenden des Schafzuchtverbandes bieten Zäune zu wenig Schutz: Für ein Wolf sei es kein Problem, über einen 2,80 Meter hohen Zaun zu springen. „Der schafft den Sprung aus dem Gehege heraus, selbst wenn er 30 Kilo im Bauch hat.“ Dass es Wölfe aufgrund ihrer Intelligenz leicht schaffen, Zäune zu überwinden, räumt auch der ehrenamtliche Wolfsbetreuer Kai-Uwe Hartleb ein. Und ist der Wolf erst im Gehege, „wird immer wieder der Beutegreiferreflex ausgelöst“, so Hartleb. Das bedeutet, dass der Wolf mehr Tiere tötet, als er selbst fressen kann. Das Ergebnis ist ein Schlachtfeld. Während in freier Wildbahn der Rest einer angegriffenen Herde fliehen kann, wird der Jagdinstinkt bei eingesperrten Tieren immer wieder stimuliert – Fachleute sprechen vom „overkilling“.

Um den Wolf erfolgreich zu verjagen, könnte theoretisch jeder Hund eingesetzt werden. „Das Problem ist, dass viele Rassen zu aggressiv sind“, so der Schafzuchtvorsitzende, der selber mehrere Herden und Hunde besitzt. Bekannte Herdenschutzhunderassen wie der kaukasische Schäferhund oder der arplaninac, mit dem Schafsherden in Serbien und Mazedonien geschützt werden, seien in Deutschland zu gefährlich. „Da kommt dann ein Spaziergänger oder Radler vorbei und der Hund greift an.“ Das würde in den zum Teil unberührten Ostgebieten fast nicht vorkommen.

Die Hunde würden aber nur angreifen, wenn die Schafe aus ihrem Gehege ausbrechen und frei herumlaufen, so Kucznik. „Sie springen nicht über den Zaun, wenn jemand vorbeikommt.“ Dennoch rät der Schäfer zu einer Rasse mit einer „hohen Reizschwelle“. Das seien gutmütige Pyrenäenberghund oder Schäferhunde aus den italienischen Abruzzen. Die würden die Angreifer durch lautes Bellen in die Flucht schlagen. Das sei genauso effektiv, um sich vor dem Wolf zu schützen. Denn der überlege sich zweimal, ob er das Risiko, gebissen zu werden, wirklich eingehen soll.

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