Potsdam-Mittelmark: BER: Beweise für Täuschung ?
Kleinmachnower Initiative sieht Mauschelei-Verdacht bestätigt. Ministerium und Flughafengesellschaft geben sich gelassen
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Potsdam-Mittelmark - Was die Gegner des neuen Hauptstadtflughafens BER schon lange vermutet haben, scheint jetzt bewiesen: Schon seit Beginn der Planung war bekannt, dass der Flugbetrieb nur mit abknickenden Routen funktionieren würde. Das geht aus einem Protokoll der Projektplanungsgesellschaft von 1998 hervor, das den PNN vorliegt.
Demnach hatte die Deutsche Flugsicherung das brandenburgische Verkehrsministerium und somit auch die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH schon 1998 darüber informiert, dass ein Flughafenbetrieb mit geraden Abflügen nicht funktionieren würde.
Das Papier sei der entscheidende Beweis, wenn das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig am 3. und 4. Juli die Klage der Gemeinde Kleinmachnow gegen den Planfeststellungsbeschluss verhandelt, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative „Kleinmachnow gegen Fluglärm“, Matthias Schubert. „Damit muss das Gericht anerkennen, dass die Abwägung sich auf unrealistische Prognosen stützte“, so Schubert. In dem Dokument findet sich auch ein Hinweis auf den Brief, den der damalige Flughafenchef Götz Herberg an das Bundesverkehrsministerium schrieb. Darin bittet er, „Einfluss auf die Deutsche Flugsicherung zu nehmen“, um vorläufig bei den bisherigen Routen bleiben zu können. Sonst wären neue Gutachten erforderlich gewesen, warnt Herberg. Offiziell wurde anschließend jahrelang von geraden Routen ausgegangen, die Anwohner erfuhren erst 2010 von den abknickenden Routen. Auf das Protokoll stieß die Kleinmachnower Initiative am Mittwoch. Sie hatte sich vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Akteneinsicht in den Schriftverkehr zwischen Flughafengesellschaft, Flugsicherung und Verkehrsministerium erstritten.
Ralf Kunkel, Sprecher der Flughafengesellschaft, reagierte gelassen auf den Aktenfund. Die Routen seien von der Flugsicherung festgelegt worden und somit nicht in der Verantwortung der Flughafengesellschaft. Der Planfeststellungsbeschluss sei ein davon getrenntes Verfahren, dem Urteil des BVG sehe er deshalb entspannt entgegen.
Kristina Kelek von der Flugsicherung erklärte, ihre Behörde habe das Landesverkehrsministerium bereits 1998 darauf hingewiesen, dass ein unabhängiger Parallelbetrieb nur mit abknickenden Routen möglich sei. Mit der Flughafengesellschaft selbst sei man damals nicht in direktem Kontakt gewesen. Ob das Ministerium als Genehmigungsbehörde den Hinweis an den Flughafen weitergegeben habe, könne sie nicht beurteilen. Auch beim Ministerium gab man sich am Donnerstag unaufgeregt: „Die Bewertung der Akteneinsicht teilen wir nicht“, sagte Ministeriumssprecher Jens Schade.
Das Protokoll ergebe seiner Ansicht nach überhaupt nichts Neues. Dass das BVG den Planfeststellungsbeschluss aufheben wird, bezweifle er. Das Thema sei bereits bei der Verhandlung zum Nachtflugverbot im Herbst 2011 angerissen worden. Damals habe es in der Begründung des Gerichts geheißen: „Das Ministerium durfte für die Regelung des Flugbetriebs die Lärmbetroffenheit auf der Grundlage von parallelen An- und Abflugrouten ermitteln“. Der Flugbetrieb werde nicht für bestimmte Flugrouten geregelt, sondern für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur. Die Betriebsregeln sollten grundsätzlich auch bei geänderten Flugrouten Bestand haben.
Die Kläger argumentieren hingegen, sie hätten zu spät erfahren, dass Land und Flughafengesellschaft im Planfeststellungsverfahren wider besseres Wissen von geraden und nicht von abknickenden Flugrouten ausgegangen waren. Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf galten demnach als nicht betroffen und wurden auch nicht am Planfeststellungsverfahren beteiligt. Somit seien die Betroffenen davon abgehalten worden, fristgerecht gegen die Planfeststellung zu klagen.
Die Flughafengesellschaft hatte die Akteneinsicht bis zur letzten Sekunde hinausgezögert. Erst hieß es, man habe noch zu wenig Zeit gehabt, erfolgreich nach den Akten zu suchen. Die Bürgerinitiative, vertreten durch den Berliner Rechtsanwalt Philipp Heinz, beantragte die Zwangsvollstreckung. Das Gericht drohte daraufhin ein Zwangsgeld von 10 000 Euro an. Die Summe ist das gesetzliche Maximum für solche Fälle. Die Frist lief am Dienstagabend ab. Erst an diesem Tag wurden den Kleinmachnowern dann tatsächlich alle Akten zur Verfügung gestellt.
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