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Potsdam-Mittelmark: Bergholz-Rehbrücke ehrt Oskar Picht

Heute vor 62 Jahren starb der Erfinder der Blindenschreibmaschine

Stand:

Nuthetal - Blinde und sehbehinderte Menschen kennen Oskar Picht. Er spielt in ihrem Leben auch heute eine große Rolle, denn er ermöglichte ihnen trotz ihrer Blindheit die Fähigkeit des Schreibens. Picht erfand die Blindenschreibmaschine.

Am 15. August 1945 starb Oskar Picht in Bergholz-Rehbrücke. Ihm zu Ehren wird am 14. September am Tag der offenen Tür des Deutschen Instituts für Ernährung in Bergholz-Rehbrücke (DIfE) eine Ausstellung eröffnet, die in Zusammenarbeit mit dem Sozialwerk Potsdam e.V. entstand. Eine Vitrine mit Dokumenten und Schaustücken, die das Schaffen des Blindenlehrers dokumentieren, wird als Dauerausstellung der Öffentlichkeit übergeben. Der Rehbrücker Schriftsteller Kurt Baller bereitete diese Dokumentation vor. Anschließend wird am Ehrengrab auf dem Bergholzer Friedhof des Erfinders gedacht.

Ohne Oskar Picht und Louis Braille wäre das Leben von Blinden und sehbehinderten Menschen wesentlich schwieriger. Ein Artilleriehauptmann Napoleons, Charles Barbier, wollte für die Armee eine tastbare Schrift entwickeln, um seinen Soldaten trotz Dunkelheit Befehle übermitteln zu können. Er entwarf 1815 die erste auf Punkten basierende Schrift. Gleichzeitig erlebte Louis Braille (1809 - 1852) in Coupvray bei Paris seine frühe Kindheit. Er verletzte sich mit vier Jahren an einem Werkzeug in der Werkstatt des Vaters ein Auge. Dieses erblindete, kurz darauf auch das zweite. 1784 war in Paris bereits eine erste Blindenschule gegründet worden. Hier musste er sich Braille mit der Schrift von Barbier auseinandersetzen. Braille erkannte bald die Schwächen dieses Systems, das die Lautschrift ausdrückte und so zu wenig die Rechtschreibung berücksichtigte. Braille erarbeitete die heute noch gültige und nach ihm benannte Blindenschrift. Die Brailleschrift setzte sich gegen ähnliche Schriftsysteme im Laufe der Zeit durch. Auf dem Blindenlehrerkongress 1879 wurde sie für Deutschland und 1933 weltweit angenommen.

Jetzt trat Oskar Picht auf den Plan. Der Blindenlehrer vertiefte durch seine intensive Arbeit mit Blinden sein Verständnis für deren Problematik. In der Staatlichen Blindenanstalt Berlin-Steglitz verwaltete er die hauseigene Punktschriftbücherei, dort gründete er auch eine Punktschriftdruckei mit Buchbinderei. Ehrenamtlich war er Geschäftsführer des Vereins zur Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Blinden. Das führte ihn erstmals nach Bergholz-Rehbrücke, da er so auch für das hiesige, 1910 eröffnete Blinden-Altenheim, heute das Ernährungsinstitut in der Arthur-Scheunert-Allee, Verantwortung trug. Gerade nach dem 1. Weltkrieg setzte er sich unermüdlich für die Kriegsblinden ein. Auch die Berufseingliederung Blinder lag ihm am Herzen.

Noch vor der Jahrhundertwende erkannte er die Notwendigkeit einer technischen Schreibhilfe für Blinde. Auf der Basis der anerkannten Blindenschrift von Braille stellt er 1899 die später patentierte Punktschriftmaschine in Europa vor. Zeitgleich, aber unabhängig voneinander war in den USA ein Mr. Hall in einfacherer Weise Förderer dieser Technik. Beide Entwicklungen basieren jedoch auf dem gleichen System. Mit einem Tastendruck ist das Punktenetz des ganzen Buchstaben bereits durch „Positiv-Tafeln“ noch in der Schreibmaschine sofort lesbar. Es geht viel schneller. Trotzdem bleibt Brailles Tafel den Blinden noch immer wichtig als der „Kugelschreiber“ der Sehenden.

Natürlich gewinnt auch das „Hören“ immer mehr Raum, ersetzt aber nicht die Blindenschrift. Es wird geurteilt, dass „handgelesene“, ertastete Texte besser im Gedächtnis bleiben. Hinzu kommen Funktionen, die kein Hörmedium erfüllen kann: die mit Braille-Schrift geschriebenen Etiketten in der Küche, die so beschrifteten CDs und Kassetten im Schrank, das Namensschild an der Tür für die ebenfalls blinden Freunde oder die Speisekarte, die es in einschlägigen Lokalen durchaus gibt. Trotz der unschätzbaren Vorteile wird die Braille-Schrift von nur etwa 20 Prozent der 155 000 blinden Bundesbürger beherrscht. Ursache ist die Erblindung vorwiegend im höheren Lebensalter. Dann wollen viele nicht noch einmal auf die Schulbank, um Lesen und Schreiben zu lernen.

Seine Schreibmaschine arbeitete Picht weiter für verschiedene Nutzungsprobleme um. Insgesamt brachte diese Tüftelei Oskar Picht zehn deutsche Patente bis 1932 ein. Zuletzt entstand unter seiner Leitung in der Verbindung mit der Entwicklung einer Kurzschrift für Blinde und Sehschwache eine 8-Punkt-Stenomaschine. Seine Steno-Maschine für 6 Punkte gab es schon seit 1909. Robotron Dresden baute die Pichtsche Maschine in der DDR unter dem Namen „Erika-Picht“. Noch heute sind Pichts Maschinen gefragt. Ute Kaupke

Ute Kaupke

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