KulTOUR: Berliner Urnudel und Theaterchefin
Zur Frauenwoche erinnerte das Teltower Zimmertheater an Julie Gräbert
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Teltow - Julie Gräbert (1803-1870) kennt natürlich derzeit kein Mensch. Das macht aber nichts: Das Teltower Zimmertheater TZT erinnerte anlässlich der „Brandenburger Frauenwoche“ mit einer szenischen Lesung an Gräbert, geborene Pickenbach. „Schmalzstullen ist man nicht allein“ hieß das Programm über die höchst resolute Person, für das die TZT-Frontfrau Helma Hörath sich die Mühe vieler Recherchen gemacht hat. Damit hat sie es geschafft, das Leben dieser Berliner Urnudel und Theaterprinzipalin aufzuhellen. Denn im Grunde ist ja viel über Gräbert bekannt, vielleicht wird sogar mal eine Inszenierung fürs Papiertheaterchen daraus.
Im „Schwarzen Adler“ zu Teltow soll Gräbert ihren Gatten Louis kennengelernt haben, der in Berlin eine Wirtschaft samt angeschlossenem Vorstadt-Theater betrieb. Als er 1854 starb, führte sie den ganzen Laden alleine weiter, auch die „Theaterschiene“. Zuerst war sie freilich Geschäftsfrau. Sie wusste, dass ein Stück mit drei oder vier Toten beim Volk besser ankam als ätherisch-ästhetischer Kram, und wenn es um Schiller oder andere Klassiker ging, half sie notfalls auch ein bisschen nach.
Ihr „Etablissement“ vor dem Rosenthaler Tor war zwar damals nur eines von vielen Vorstadttheatern, dafür war hier ordentlich Betrieb. Vier Vorstellungen in der Woche, dazu reichlich Schmalzstullen, und Weißbier-Ausschank. Die Inszenierungen wurden so organisiert, dass es vier oder fünf Verzehr-Pausen gab. Und natürlich war das Rauchen während der Vorstellung erlaubt! Muttern Gräbert verstand ihr Haus ausdrücklich als Ort für Gemüt und Magen. Hier „wird zwar jelacht und jestorben, nich aber übern Tod lamentiert!“
Bevor sich Helma Hörath unter dem Titel „Schmalzstullen isst man nicht alleine Oder: Wie Julie aus dem Schwarzen Adler nach Berlin ins Vorstädtische Theater kam“ dieser Berliner Pflanze intensiver widmete, trug sie ein paar zeitgenössische Berichte über die damaligen Lebensverhältnisse in Berlin vor. Dabei mokierte sich die bekennende Feministin darüber, dass Frauen in den Statistiken des 19. Jahrhunderts nicht auftauchten. Vielleicht gab es damals einfach noch keine?
Eindrucksvoll war dann zu hören, wie die Minder-Bemittelten zurzeit der Gräbert lebten, wie katastrophal die Infrastruktur im Schatten der Friedrich-Wilhelme war. So gab es nur vier oder fünf befestigte Ausfallstraßen der Stadt, alle anderen bestanden nur aus zerfahrenem Sand und Unrat. Müsste man sich angesichts solcher Zustände nicht heutiger Diskussionen über den Glanz der Hohenzollern eher schämen?
Ejal. Die Prinzipalin hatte jedenfalls nach dem Motto „Heulen macht durstig – Lachen macht Kohldampf“ die ideale Verkaufsidee gefunden. Sie schaffte es sogar, in zwei Theaterstücken des 20. Jahrhunderts die Hauptrollen zu bekommen: Aus Holmar-Attila Mücks „Ohne Pauken und Trompeten“ las Helma Hörath ein paar Szenen, zur Untermalung wurden zeitgenössische Stiche aus Berlin an die Wand projiziert. Auch hübsche Illustrationen von Maria Hein, einer weiteren Mitarbeiterin vom TZT waren darunter.
Die Teltower Altstadthof-Galerie war denn am Sonntagnachmittag auch bestenes besucht. Das mag zum einen auch daran gelegen haben, dass hier die erste Ausstellung mit Bildern von Teltower Vorschulkindern gerade zu Ende ging. Zwei weitere sind geplant. Das nennt man Nachwuchsföderung!! Nach einer Stunde Honneur für die „Teltowerin“ Julie Gräbert blieb das Publikum noch. Man plauderte, es wurden Schmalzstullen gereicht – und die isst man eben nicht so gerne allein.
Noch bis zum Dienstag, dem 13. März, finden Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Frauenwoche statt. Zum Internationale Frauentag am heutigen Donnerstag feiert dieTeltower Mädchenzukunftswerkstatt in der Oderstraße 34 von 14.30 bis 16 Uhr. Der Seniorentreff im Teltower Bürgerhaus lädt zu diesem Anlass zu einem Frauenfrühstück in die Ritterstraße 10 ein. Das Theater am Weinberg tritt im Kleinmachnower Rathaussaal auf. Beide Veranstaltungen beginnen um 10 Uhr. Einen Infonachmittag für Frauen, die in den Beruf zurückkehren wollen bietet die Agentur für Arbeit am 13. März um 14 Uhr im Rollberg in Bad Belzig an.
Gerold Paul
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