Potsdam-Mittelmark: Bestandsaufnahme nach 20 Jahren
Der dritte Teil der Bildband-Reihe „Werder heute“ ist erschienen. Herausgeber Baldur Martin will eine Wohlfühlstadt zeigen
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Werder (Havel) - Es gab Zeiten, da war Werders Insel das Armenhaus der Stadt: Die Gebäude waren marode, die Wohnungen nur per Ofen beheizt und die Toiletten befanden sich im Hof. Nur wer eine Bleibe zugewiesen bekam, lebte hier – freiwillig zog keiner über die Brücke. Heute, 22 Jahre nach der Wende, hat sich das Bild ins Gegenteil verkehrt: Die Altstadt ist größtenteils saniert und die Häuser hier am begehrtesten. „Die Bewohner, alte und junge, einheimische und fremde, fanden hier das Glück, nach dem sie schon lange gesucht hatten.“
Mit diesem Resümee eröffnet der Werderaner Stadthistoriker Baldur Martin den dritten Teil seiner Bildband-Reihe „Werder heute“. Alle zehn Jahre macht er sich mit dem Fotoapparat auf den Weg durch die Stadt, um die vielen Facetten des hiesigen Lebens festzuhalten. 3500 Bilder hat er in den vergangenen Monaten geschossen, rund 700 haben Eingang in den dritten Teil der Reihe gefunden. Es sind Momentaufnahmen von bekannten Ecken, Schnappschüsse von Werderschen Typen und Abbilder des Alltags in der Blütenstadt, die er auf 140 Seiten untergebracht hat.
Martin will keine Kunst betreiben, wie er unterstreicht, sondern ein Zeitdokument abliefern – eine Bestandsaufnahme dessen, was bislang in der Stadt erreicht worden ist. Der erste Band ist kurz nach der Wende erschienen, der zweite vor gut zehn Jahren. Beide sind längst vergriffen und werden in Antiquariaten mit Preisen um die 50 Euro gehandelt. Aber nicht nur aus finanzieller Sicht ist der Bildband eine lohnende Investition in die Zukunft: Er hilft der Erinnerung an das Hier und Jetzt noch in Jahrzehnten auf die Sprünge. Ein Vorzug, den auch Bürgermeister Werner Große (CDU) zu würdigen weiß. Denn während sein Vorgänger Franz Dümichen (1855-1917) akribisch Jahresberichte mit den Ausgaben der Stadt verfasst hatte, könne man heute in Bildern sehen, wie sich Werder entwickelt.
In verschiedenen Kapiteln wird der Leser und Betrachter durch das Werder von heute geführt. Von der Insel geht es ins Zentrum, auch der Werderpark, die Havelauen, die Höhen und Weinberge werden ihm vor Augen geführt. Auch dem Bahnhofsviertel hat Martin einen Besuch abgestattet. In seinen Augen ist es die widersprüchlichste Ecke der Stadt: „Nirgendwo sonst liegen Altes und Modernes so dicht beieinander“, sagt er und zeigt zum Beispiel das moderne Parkhaus neben dem verkommenen Empfangsgebäude. Er scheut sich nicht, Schmuddelecken zu zeigen – um damit an die Vernunft zu appellieren. Busse, die auf dem Gehweg parken, Graffiti an einer Hauswand und verwilderte Grundstücke gehören eben auch zum städtischen Leben.
Doch Moment – so städtisch ist Werder doch gar nicht, schließlich gibt es hier keine Hochhäuser oder mehrspurige Straßen. Dass Werder sich seinen ländlichen, vor allem aber grünen Charakter bewahrt hat, sei vor allem dem Augenmaß der Stadtpolitik zu verdanken, sagt er. Verwaltung und Stadtrat hat er ebenfalls ein Kapitel gewidmet und festgestellt, dass nur noch einer der kommunalen Führungskräfte von 1992 auch heute noch im Amt ist: der Bürgermeister.
Schließlich ist es Baldur Martin gelungen, neben Objekten und Leuten auch charakteristische Stimmungen einzufangen: Die Sonne, wie sie versucht, sich durch den Herbstnebel zu schieben, morgendliche Geschäftigkeit in den Straßen und abendliches Ausspannen in den Restaurants der Stadt. Und manches ist nur zu bestimmten Zeiten zu sehen: So offenbart sich nur im Winter, wenn die Sträucher kahl sind, ein Panoramablick auf die verbliebenen Kasernengebäude in den Havelauen oder die Heilig-Geist-Kirche auf der Insel. Thomas Lähns
„Werder heute“ ist ab sofort für 22,50 Euro erhältlich bei „Der Buchladen“, Auf dem Strengfeld 3a, sowie in der Buchhandlung Hellmich, Brandenburger Straße 161.
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