Potsdam-Mittelmark: Bewährungsstrafe für Cannabis-Züchter
Im April hob die Polizei eine professionelle Hanf-Plantage in Werder aus / Jetzt stand ein 35-jähriger Berliner vor Gericht
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Werder (Havel) – Die erste Ernte ging in die Binsen, weil der Strom längere Zeit ausfiel. Beim zweiten Anlauf waren die Ermittler schneller. Am 15. April dieses Jahres hoben sie die professionell ausgestattete Cannabis-Plantage in einem Keller an der Werderaner Eisenbahnstraße aus. Dabei entdeckten sie unter anderem 297 Hanf-Setzlinge sowie 385 Pflanzen, von denen ein Großteil bereits ausgereift war. Die Aufzuchtanlage befand sich auf einem von mehreren Firmen genutzten Betriebsgelände in der Nähe des Bahnhofs. (PNN berichteten.) Gestern wurde der Cannabis-Züchter Martin M.* (35) vom Schöffengericht wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Laut Bundesgerichtshof sind 7,5 Gramm des Wirkstoffgehalts Tetrahydrocannabiol (THC) der Grenzwert für eine „nicht geringe Menge“. Der THC-Gehalt der beim Angeklagten gefundenen und bereits aufbereiteten Pflanzen lag bei 41,35 Gramm.
Martin M. zeigte sich bereits während des Ermittlungsverfahrens geständig. Der Verteidiger erklärte zu Prozessbeginn, sein Mandant räume den Anklagevorwurf „in vollem Umfang“ ein. Martin M. – zu jener Zeit drogensüchtig – habe Cannabis angebaut, um seinen eigenen Konsum zu decken, sei aber auch davon ausgegangen, einen Teil des Erlöses zu verkaufen. „Verzweifelte Leute begehen verzweifelte Taten“, resümierte der aus Berlin stammende Angeklagte. Im Alter von 17 Jahren habe er das erste Mal gekifft. Dann sei er abhängig geworden, habe in seinen schlimmsten Zeiten bis zu zehn Gramm Haschisch täglich geraucht. Zuletzt seien es im Durchschnitt drei Gramm gewesen. Doch auch die habe er von seinen Hartz-IV-Bezügen nicht bezahlen können. Im Oktober 2007 sei er auf die Idee mit der Eigenversorgung gekommen. Auf den leerstehenden Keller, der für 300 Euro im Monat zu vermieten war, sei er durch die Vermittlung eines Bekannten gestoßen. Das Wissen über die technische Ausstattung der Aufzuchtanlage habe er sich aus Büchern sowie dem Internet angeeignet, nötiges Zubehör in Bau- und Gartenmärkten erworben. „Einiges habe ich auch vom Schrottplatz oder vom Flohhändler. Dennoch habe ich jetzt 2500 Euro Schulden“, erzählte der rundliche Mann. Aus zehn Samen habe er zunächst Pflanzen gezogen, diese dann vermehrt. „Ich hatte keine praktische Erfahrung, habe einfach auf den Erfolg gehofft.“ Abnehmer für den „Stoff“ habe er noch nicht gehabt, da Aufzucht und Pflege der Pflanzen sehr viel Zeit in Anspruch genommen hätten.
Ein heilsamer Schock sei die Durchsuchung des Kellergelasses in Werder sowie seiner Wohnung gewesen, gab Martin M. zu. Kurz danach sei er bei einer ambulanten Drogenberatung vorstellig geworden, habe an mehreren Therapie gesprächen teilgenommen. „Meine einzigen Genussmittel sind jetzt Nikotin und Coffein“, versicherte der Angeklagte stolz. „Ich habe auch bereits die Kostenzusage der Krankenkasse für eine Langzeittherapie.“ Um nicht in Versuchung zu geraten, in altes Fahrwasser abzugleiten, habe er sich von seinem früheren Bekanntenkreis getrennt. Und seit vorgestern hat er einen –vorerst befristeten – Job, in dem er lernschwache Kinder zum Lesen animieren soll. Das Gericht stellte Martin M. eine günstige Sozialprognose aus, gab ihm allerdings mit auf den Weg: „Sie haben ein Verbrechen begangen. Dabei sind Sie mit hoher krimineller Energie vorgegangen.“ Um Martin M. weiter zu stabilisieren, soll ihm für die Dauer eines Jahres ein Bewährungshelfer an die Seite gestellt werden. (*Name geändert.)
Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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