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Streckt sich acht Meter in die Höhe  Christian Roehls Skulptur Aufrecht 89 (links) vor dem Stahnsdorfer Rathaus in der Annastraße. 20 Jahre nach seiner Arbeit an dem stählernen Kunstwerk wurde Roehl (rechts) jetzt dafür bezahlt.

© Tobias Reichelt

Von Tobias Reichelt: Bewegtes Metall

20 Jahre nach dem Mauerfall erwirbt Stahnsdorf ein Wende-Symbol: „Aufrecht 1989“ von Christian Roehl

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Stahnsdorf - Kraftvoll streben die dicken Stahlbleche gen Himmel. Acht Meter streckt sich Christian Roehls Skulptur vor dem Stahnsdorfer Rathaus in die Höhe. Es scheint, als wachse das Metall in seinen gewaltigen Linien unaufhaltsam den Wolken entgegen. Selbst eine Edelstahlklaue, die nach dem Stahl zu greifen scheint, vermag es nicht zu fassen. Immer weiter strebt das Metall aufwärts, erzählt Roehl und fährt mit einem Finger die Linien des Monuments auf einem Foto nach. „Eine Skulptur aus einer bewegten Zeit“, sagt der 69-Jährige und legt das Bild datiert auf das Wendejahr 1989 beiseite.

Schon seit neun Jahren steht die viereinhalb Tonnen schwere Skulptur mit dem Titel „Aufrecht 89“ in der Stahnsdorfer Annastraße. Blumen und Sträucher ranken sich um sie und sie ist zum bekannten Fotomotiv vor der Gemeindeverwaltung geworden. Der frühere Bürgermeister Gerhard Enser hatte die Skulptur auf dem Südwestkirchhof entdeckt. Hier betreibt Roehl seit 41 Jahren die alte Friedhofsschmiede und stellt viele seiner stählernen Kunstwerke am Rand des Kirchhofs aus. Andere sind in der Region verteilt: Die Bushäuschen in Kienwerder, ein Kreuz vor dem Eingang des Stahnsdorfer Südwestkirchhofs, und auch in Kleinmachnow und Potsdam finden sich zahlreiche andere seiner stählernen Werke.

„Die Gemeinde Stahnsdorf hatte kein Geld, aber der Bürgermeister hat die Skulptur unbedingt gewollt“, erzählt Roehl. Der vollbärtige Künstler mit Rundbrille auf der Nase ließ sich trotz kommunalen Finanzmangels überreden – von den „süßen Worten“ wie er sagt. Roehl verlieh sein Werk im Jahr 2000 an Stahnsdorf. Geld sah er lange Zeit keins dafür. Erst jetzt, 20 Jahre nach der schweißtreibenden Arbeit an dem Monument, soll Roehl für sein geschichtsträchtiges Werk bezahlt werden. Noch in den kommenden Wochen soll der Kaufvertrag unterschrieben werden. 30 000 Euro werden die Stahnsdorfer für die Skulptur bezahlen, das beschlossen die Gemeindevertreter in ihrer jüngsten Sitzung mit großer Mehrheit.

„Wenn eine Arbeit neun Jahre lang an solch einem Ort steht, identifizieren sich die Menschen damit“, sagt Roehl. Er ist froh, dass er endlich von der Gemeinde bezahlt wird. Mehrere Helfer, schwere Maschinen, Werkzeuge und Kräne waren im August 1989 nötig, um die gewaltige Skulptur in einer Industrieanlage bei Magdeburg zu fertigen. „Die Stahnsdorfer können stolz darauf sein“, sagt Christian Roehl.

Nur wenige Wochen vor dem Fall der Mauer hatte Roehl mit der Skulptur ein Zeichen setzen wollen. „Trotz der schlechten Bedingungen im Staat sollten die Menschen aufrecht bleiben“, erklärt Roehl – „ihren aufrechten Gang bewahren“, setzt er nach einer kurzen Pause hinterher. Viereinhalb Jahre lang saß er selbst wegen versuchter Republikflucht als junger Mann im Stasi-Gefängnis, erzählt er dann. Ein Bauingenieurstudium wurde ihm verwehrt, nur mit Glück und durch gute Kontakte konnte er seine Meisterprüfung als Schmied ablegen.

Trotz seines Alters, aufhören möchte der Künstler mit seiner schweren Arbeit noch nicht. Die Menschen mit seinen Werken zu faszinieren, ihre Gedanken über den Sinn und Unsinn von Umweltverschmutzung, Gier, Profit oder Unterdrückung anzuregen, „das ist für mich entscheidend“, sagt Roehl.

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