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KulTOUR: Blick auf die Totale

Stadtansichten von Wolfgang Wittig im Galerie Café

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Werder (Havel) - Seit Anfang April haben Stefan Lilge und Gattin genau vis á vis vom Inselhotel ihr „Galerie Café“ eröffnet. Es trägt seine Bestimmung im Namen: Das Pächterehepaar will seiner Kundschaft nicht nur ein rustikales Ambiente und hausgebackenen Kuchen bieten, sondern auch reichlich Ausstellungsfläche fürs Künstlerische. Da ist man auf der Insel zwar nicht ganz allein, aber es gibt ja in Werder und Umgebung auch jede Menge aus dem bildnerischen Fache, Eingesessene und Zugezogene. Zum Beispiel Wolfgang Wittig.

Er ist mitten im Krieg in Breslau geboren, aufgewachsen in Darmstadt, wo er später auch Architektur und Kunst studierte. 1970 verschlug es ihn als Architekt und Stadtplaner nach Berlin, ab 1990 noch einmal westwärts, in die Stadtverwaltung Wolfsburg. An den Stationen seines Wirkens zeigte er auch seine Werke, darunter kunstvolle Fotografien. Werder und Ketzin sind dazugekommen. Grafische Ansichten von den Kanaren und aus der Obstmuckerstadt bilden den Schwerpunkt der Exposition im Hause Lilge.

Es sind durchweg Federzeichnungen in schwarzer oder brauner Tusche, manchmal lasiert. Alle haben wohl die Flüchtigkeit und die Unruhe des Augenblicks in sich, denn bei Wolfgang Wittig („kein Berufskünstler“) wirken noch die stillsten Bilder wie Skizzen, Improvisationen. Er selbst hat sich „die Feder als Disziplin auferlegt“, und er gebraucht sie, wie andere den Aquarellpinsel: Es wird, oder wird nicht. Jede Zeichnung, sagt er, war ein Zeichen seiner Seelenlage. Leihgaben sind darunter, etwa eine Insel-Vedute von Werder, oder „Werder, An der Föhse“, wie die übrigen zehn, zwischen 1997 und 2000 entstanden.

Dies ist sein Blick auf die Totale, der scheinbar flinke Wurf mit Konzentration auf das Wesentliche. Letztlich erstaunt man, denn die Erfahrung lehrt: wenn Architekten sich bildkünstlerisch betätigen, dann ist doch immer auch das fachliche Auge dabei, die zu feste Linie, ein ungewollter Hang zum Exakten. Nichts davon bei Wolfgang Wittig.

Vielleicht ist manchem Opus ein Hang zum Avers nicht abzusprechen, wenn er Gomeras Landschaft so konterfeit, wie auch andere sie sehen, ein Ort mit Palmen im Tal. Aber es hat diesen gewissen Schwung in der Hand, eine besondere Art, die Feder zu führen, genügend Handwerk, und so malt er im übertragenen Sinne doch „lautere Originale“. Sie als Grafik-Solo-Schau zu zeigen, ist mutig, aber sie wird belohnt: „Wunderbare Arbeiten“, heißt es im Gästebuch, „Man könnte ihn sammeln!“. 1997 stellte er schon einmal hier aus. Ein Offizieller lobte ihn so: Sie geben die Stadt schöner wieder, als sie in Wirklichkeit ist! Auch eine Art Kompliment, was ist denn „Wirklichkeit“?

Schneeweiße Wände, rustikales Meublement, diese Bilder – natürlich stellen sich Assoziationen ein: Stadtansichten aus Braunschweig im Disput mit Vergleichbarem in Werder, die historische Windmühle zu Gifhorn, die Windmühle historisch auf dem Havel-Werder, Veduten-Blick hier so wie da. Jedes Bild absichtsvoll und gewollt schnell gemacht, je nach Seelenlage eben. Etwa in einem Zeitraum von zwanzig Jahren entstanden, haben sie einen sensationell günstigen Einheitspreis. Vielleicht gar zum Sammeln.

Bis 26. Juni im Galerie Café, Am Markt 7 Mittwoch bis Montag, 11 bis 21 Uhr

Gerold Paul

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