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ENERGIE-PFLANZEN: Blütenpracht statt Vermaisung
Der Bund fördert im Bereich der Bioenergie verstärkt Alternativen zur Mais-Monokultur. Bei Phöben wird dazu geforscht
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Werder (Havel) / Berlin - Leuchtend blau blüht die Wegwarte auf dem Feld zwischen Phöben und Schmergow – dazwischen weiße und gelbe Farbtupfer vom Honigklee. Ein schöner Anblick, doch der Acker mit Blüh- und Wildpflanzen soll nicht nur etwas für das Auge sein. Für die Erzeugung von Biogas sucht der Bund verstärkt nach Alternativen zu umstrittenen Mais-Monokulturen. „Unser Ziel ist es, Pflanzen zu erforschen, die auf Dauer ähnlich effizient sein können wie Mais“, sagte Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Dienstagvormittag beim Besuch des Versuchfeldes. Es gebe einige Blüh- und Wildpflanzen, die ökonomisch und ökologisch vielversprechend sind. „Hier brauchen wir weitere Erkenntnisse“, so Aigner.
Die derzeit 45 Hektar großen Versuchsfelder bei Phöben sind Bestandteil eines Projektes der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, die gemeinsam mit der Firma Saaten-Zeller nach Wildpflanzen sucht, die als mehrjährige Energiepflanzen-Mischung angesät werden können. Bereits in der fünften Generation beschäftigt sich das bayerische Unternehmen Zeller mit der Saatzucht. Jetzt habe man sich auf spezielles Saatgut für Ausgleichspflanzungen und Saatmischungen für die Biogasproduktion spezialisiert, sagte Geschäftsführer Stefan Zeller gegenüber den PNN. Zu diesem Zweck hat die Firma im vergangenen Jahr auch in Phöben einen Ackerbaubetrieb übernommen – insgesamt 85 Hektar stehen dort zur Verfügung. Auch die Hofanlage in Phöben soll demnächst ausgebaut werden – vorgesehen ist unter anderem die Installation einer Reinigungsanlage für Saatgut.
„Der Mais soll als Energiepflanze keinesfalls verdrängt werden“, sagte Zeller. Es komme darauf an, sinnvolle Ergänzungen zu finden und Mais-Monokultur aufzubrechen. Blüh- und Wildpflanzen würden sich für die Bepflanzung an Randstreifen oder auf Flächen eigenen, auf denen der Mais ohnehin nicht den vollen Ertrag bringen würde. Der neue Standort in Phöben habe sich angeboten, um auch im Land Brandenburg weitere Aktivitäten zu entwickeln, denn für Ausgleichsmaßnahmen darf ab 2020 nur noch regionales Saatgut verwendet werden. Auch die unmittelbare Nähe zum Autobahnanschluss sei ein Entscheidungskriterium gewesen.
Die Firma Zeller gehört deutschlandweit zu den ersten Aussaaten-Herstellern, die mit Wildpflanzen als Energieträger für die Biogasproduktion experimentieren. Die aktuelle Saatgutmischung umfasst 25 Pflanzenarten, darunter befinden sich neben Wegwarte und Honigklee auch die schwarze Flockenblume, der Reinfarn, Beifuß, Malven und die Wilde Möhre. Die Mischung erreiche schon jetzt 75 Prozent der Mais-Energieleistung, ohne dass die Samen züchterisch verändert wurden, so Zeller. Ein Hektar dieser Blüh- und Wildpflanzen könne über Biogas-Verwertung einen Vierpersonenhaushalt ein Jahr lang mit Energie versorgen, hieß es es am Dienstag.
Die Blüh- und Wildpflanzen würden damit eine ökonomisch attraktive Alternative zum Mais darstellen und gleichzeitig Wildtieren einen vielfältigen Lebensraum bieten. „Imker, Jäger, Landwirte und Naturschützer kommen hier schnell auf einen gemeinsamen Nenner“, so Zeller.
Beim Fachverband Biogas e. V. betrachtet man die künftigen Nutzungsmöglichkeiten von Blüh- und Wildpflanzen bisher noch zurückhaltend. „Hier geht es vor allem um ökologische Gesichtspunkte“, sagte der Regionalgruppensprecher für Berlin und Brandenburg, Manfred Gegner, gestern den PNN. Auch künftig werde mit dem Mais die höchste Effektivität erzielt. Daneben gebe es auch eine Reihe andere Feldpflanzen, die für die Biogasgewinnung geeignet sind.
Das räumte auch Aigner ein, sie hält die Blüh- und Wildpflanzen jedoch für eine gute Ergänzung. Derzeit fördere das Bundeslandwirtschaftsministerium die Erforschung alternativer Energiepflanzen in über 100 Projekten mit insgesamt 40 Millionen Euro. Laut Statistik macht die Bioenergie in Deutschland bereits heute über zwei Drittel des Aufkommens aller erneuerbaren Energien aus. Im Jahr 2011 wurden auf etwa 2,2 Millionen Hektar Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe angebaut – das entspricht etwa 18 Prozent der gesamten Ackerfläche Deutschlands. Bei den Energiepflanzen zur Biogaserzeugung dominiert laut Landwirtschaftsministerium nach wie vor der Mais mit rund 80 Prozent. „Es wird immer wieder über eine Vermaisung der Landwirtschaft gesprochen. Diese ist in einigen Regionen nur gefühlt, in anderen aber tatsächlich messbar“, erklärte Aigner. Notwendig sei es, bei der Erzeugung von Bioenergie die gesellschaftlichen Ansprüche und die berechtigten Interessen der Landwirte in Einklang zu bringen. „Wir brauchen Energiepflanzen, müssen aber unsere Landschaft in ihrer Vielfalt und als Ort der Erholung erhalten. Unsere Forschungsprojekte verbinden beides“, sagte Aigner.
Mit dem Ziel, der weiteren Ausweitung des Maisanbaus zur Biogaserzeugung auch politisch entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung 2011 bei der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes einige Änderungen bei der Förderung vorgenommen. Zum einen wurde beschlossen, dass der Mais in der Biogasproduktion nur noch bis 60 Prozent der Masse gefördert wird. Zum anderen wird Strom aus Pflanzen, die ökologisch besonders wertvoll sind, seit der Novelle höher vergütet. Auch das Forschungsprojekt der Bayerischen Landesanstalt hat jetzt noch einmal einen Schub erhalten. Die Ministerin übergab in Phöben einen Zuwendungsbescheid über 82 8 000 Euro.
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