Von Thomas Lähns: Blütenstadt auf Zelluloid
Film- und Fernsehproduktionen entdecken Werder als Filmkulisse / Dreharbeiten für Telenovela „Alisa“ noch bis November
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Werder (Havel) - Gesucht wurde eine „kleine heile Welt“, eine idyllische Kulisse, vor der sich eine Geschichte erzählen lässt. Sie handelt von einer jungen Frau, die nach schweren Schicksalsschlägen in einer Kleinstadt neue Hoffnung schöpft und trotz aller Widrigkeiten ihrem Traum folgt. Fündig wurden die Macher der neuen ZDF-Telenovela „Alisa – Folge deinem Herzen“ in Werder. „Die Stadt ist prädestiniert dafür, mit ihrem Wohlfühlcharakter, ihren vielen Blumen und der Wärme“, schwärmt Producer Jan Diepers. Seit November laufen die Dreharbeiten auf Werders Insel.
Nachdem „Bianca“ und „Julia“ im Schlosspark Petzow bereits auf den „Wegen zum Glück“ gewandelt waren, wird die Blütenstadt nun erneut zum Serienstar, dieses Mal in der Rolle des fiktiven Harz-Städtchens Schönroda, in das es Alisa verschlägt, nachdem sie in Berlin ihren Schmuckladen verloren hat und nun einen Neuanfang wagen will.
Aber auch schon lange vor der Erfindung der Telenovela wurde Werder auf Zelluloid gebannt und in die Welt getragen. Kurz nach der Wende tauchte in Holland ein Kurzfilm von 1928 mit dem Titel „In Werder blühen die Bäume“ auf. Hier wird der Verlauf des Blütenfestes nachgezeichnet, von der Ankunft per Schiff über die Feiern auf der Bismarckhöhe bis zum Heimweg, untermalt mit Musik, berichtet der Werderaner Ortschronist Baldur Martin.
Der erste Spielfilm aus Werder entstand vier Jahre später – unter Mitarbeit von Bertold Brecht. „Kuhle Wampe“, so der Titel des Streifens, der 1934 sogar in New York gezeigt wurde, ist eine Zelt kolonie am Rande Berlins, in der sich die Familie der Hauptdarstellerin Anni niederlässt, weil ihr die Wohnung gekündigt wurde. Kurz zuvor hatte sich ihr Bruder das Leben genommen, da seine Suche nach Arbeit vergeblich blieb. „Kuhle Wampe – oder wem gehört die Welt?“ ist eine proletarische Milieustudie, für deren Dreh die Kommunistische Partei Sicher heitsleute abstellte, um das Set vor der SA zu schützen.
Danach wurde es still um die Filmkulisse Werder, zu DDR-Zeiten wurde die Stadt lediglich zum Übungsfeld für Studenten der Hochschule für Film- und Fernsehen (PNN berichteten), erst nach der Wende entdeckten Produktionsfirmen die Blütenstadt für sich neu. 1993 fanden hier Aufnahmen zum Film „Der Kinoerzähler“ mit Armin Mueller-Stahl statt, im Jahre 2000 folgte die Tatort-Episode „Blüten aus Werder“ mit Dominik Raacke und Stefan Jürgens sowie drei Jahre später die Komödie „Wirsing mit Stäbchen“, in der Hauptrolle Sonja Kirchberger. Im Sommer 2007 wurde die TV-Komödie „Western Wald“ gedreht, über den amerikanischen Line-Dance, einen Asyl suchenden Iraker und ein Dorf, in dem die Zeit still zu stehen scheint.
Und nun „Alisa“. Allmählich dürften sich die Werderaner an die Kameras gewöhnt haben – oder nicht?. „Das Drehteam wird mittlerweile als Nachbar wahrgenommen“, sagt Producer Diepers. Die Belastungen für die Anwohner sollen deshalb so klein wie möglich gehalten werden, verspricht er, dennoch seien Parkverbote manchmal unumgänglich. Die und gelegentliche Vollsperrungen hätten bereits zu einigen Beschwerden geführt, berichtet indes Bürgermeister Werner Große (CDU), obwohl sich die Produktionsfirma um eine rechtzeitige Beschilderung bemühe. Der Bürgermeister sieht die Dreharbeiten in seiner Stadt als Medaille mit zwei Seiten: Auf der einen die Einschränkungen über längere Zeit, auf der anderen aber die kostenlose Werbung. Über den Drehort der Vorgängerserie „Bianca“ berichtete zum Beispiel auch der Münchener Merkur, was so einige Bayern nach Brandenburg gelockt habe. Bis November soll noch auf der Insel gedreht werden, bis dahin hofft Große auf das Durchhaltevermögen der Bürger.
Der Wiedererkennungswert werde riesig sein, garantiert Jan Diepers dafür. Denn während die Innenraumszenen in den Babelsberger Studios aufgenommen werden, finden fast sämtliche Außenaufnahmen auf der Insel oder in der näheren Umgebung statt. Zwei Teams arbeiten parallel, die Schauspieler pendeln zwischen Potsdam und Werder. Neben dem optischen gebe es auch einen logistischen Vorteil. Der ehemalige Standort des Café Colonial in der Michaelisstraße ist extra angemietet und unter dem Namen „Café Mona Lisa“ für den Dreh neu eröffnet worden. „Wir haben schon überlegt, es auch danach weiter zu betreiben, so gut ist die Stimmung dort“, scherzt Producer Diepers. Mit vielen Werderanern wurden Verträge abgeschlossen, da deren Häuser regelmäßig in der Serie auftauchen – und dafür auch verändert werden mussten. So wechselten bei dem ein oder anderen schon mal die Vorhänge, damit sie zu denen im Studio passen, sogar eine Hausfassade habe man neu angestrichen.
Begeistert ist Jan Diepers auch von dem ehemaligen Busdepot Am Markt 12: Für das Fernsehen wird es zur Fabrik. Bauten, die noch fehlen, werden mit dem Computer ergänzt. „Optische Werke Castellhoff“ prangt zurzeit auf einem Schild vor dem Gelände, an dem eigentlich die örtliche Wohnungsgesellschaft und der Zweckverband Havelland ihren Sitz haben. Ein Besuch am Set zeigt, wie mühsam Filmarbeit manchmal sein kann: Mehrmals muss eine Szene gedreht werden, in der Schauspielerin Julia Horvath – sie spielt Dana Castellhoff – lediglich zu „Chauffeur“ Christian Fischer ins Auto steigt und davon fährt. „Eine dreiviertel Stunde Dreh für eine Minute Serie“, so die Bilanz von Aufnahmeleiterin Jasmin Riedel. Sie muss auf vieles achten, vor allem aber auf Fremdgeräusche: Ein Flugzeug, Passanten, der Linienbus. Die zirka 35 Leute, die zum Team gehören, haben einen straffen Zeitplan: Eine Folge muss pro Tag aufgezeichnet werden, bis zu zehn Stunden werde gearbeitet. Der Start der Serie ist bereits für den 2. März um 16.15 Uhr geplant. Dann wird mal wieder Werder über den Bildschirm flimmern.
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