Aus dem GERICHTSSAAL: Böller in Richtung Fiesta geschleudert
Verfahren vor dem Amtsgericht gegen zwei Seddiner Azubis gegen Geldbuße eingestellt
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Seddiner See - „Es waren kleine sogenannte Polenböller. Aber die knallen auch ganz schön laut“, räumte Felix F.* ein. Der 19-Jährige muss sich mit seinem gleichaltrigen Kumpel Leon L.* wegen Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen und Nötigung vor dem Amtsgericht verantworten. Doch ganz so brisant, wie sie das vermeintliche Angriffsopfer bei der Polizei schilderte, war die Situation am Abend des 20. Februar dieses Jahres wohl doch nicht. Richterin Doris Grützmann stellt das Verfahren gegen das Duo aus Seddin nach Abschluss der Beweisaufnahme ein. Haupttäter Leon L. muss als Denkzettel eine Geldbuße von 200 Euro zahlen. Felix F. wird mit 100 Euro zur Kasse gebeten.
Leichtsinnig war das Verhalten der jungen Männer allemal. Laut Anklage sollen sie mit einem VW Golf die Straße in Richtung Neuseddin befahren haben. Nachdem sie die Ortschaft durchquert hatten, soll Felix F. – er saß am Steuer des Autos – einen vor ihnen fahrenden Ford Fiesta überholt und durch ein scharfes Bremsmanöver zum Anhalten gezwungen haben. Dann soll Leon L. zwei sogenannte Polenböller in Richtung des Fiesta geschleudert haben. Die Feuerwerkskörper, die keine Zulassung der Bundesanstalt für Materialprüfung besessen haben und in Deutschland verboten sind, sollen auf der Fahrerseite des Fiesta detoniert sein und die Gesundheit der Fahrzeuginsassen gefährdet haben.
„Zuerst war der Fiesta hinter uns. Er fuhr ganz dicht auf und machte wie wild Lichthupe. Wir wollten wissen, was los ist“, berichtet Felix F. Er habe seinen Golf ausrollen lassen, um dem Fiesta-Fahrer die Möglichkeit zu bieten, ihn zu überholen. „Auf keinen Fall habe ich ihn ausgebremst“, beteuert der Auszubildende. Statt anzuhalten und ein klärendes Gespräch zu führen, habe der junge Mann im Fiesta plötzlich Gas gegeben. „Da sind dann die Böller geflogen. War blöd, man hätte die Sache auch anders klären können“, meint Felix F. reumütig.
„Wieso fährt man mit Polenböllern im Auto durch die Gegend?“, wundert sich der Staatsanwalt. Leon L. klärt ihn bereitwillig auf. „Die gehörten mir und waren von Silvester übrig. Wir wussten gar nicht, dass sie da noch rumlagen.“ Die Idee, Feuerwerkskörper nach einem vermeintlichen Kontrahenten zu schleudern, findet der künftige Einzelhandelskaufmann im Nachhinein „doof“. Ich habe aber nur einen Böller geschmissen. Und der ist nicht dicht am Auto detoniert, sondern mindestens fünf bis zehn Meter davon entfernt“, versichert der 19-Jährige vor Gericht.
„Der Golffahrer fuhr in Neuseddin an allen vier Verkehrsinseln links vorbei“, erinnert sich Fiesta-Besitzer Sebastian S.* (21) im Zeugenstand. In einem Tunnel habe er ihn dann überholt und sein Auto quer auf die Straße gestellt. Es sei ihm aber gelungen, sich daran vorbeizuschlängeln. „Na ja, ich bin nicht abrupt ausgebremst worden“, rudert Sebastian S. zurück, der an jenem Abend mit zwei Freunden unterwegs war. Und die Feuerwerkskörper schlugen auch nicht so nah an seinem Fahrzeug auf, wie er bei der Polizei angab. „Aber es waren zwei verbotene Böller. Die haben ordentlich gerumst und neongrün geleuchtet.“
„Fahrer in der Altersklasse der Angeklagten verursachen die meisten Unfälle im Straßenverkehr“, gibt Richterin Grützmann zu bedenken. Leichtfertigkeit habe am Steuer nichts zu suchen. Da sich die Angeklagten bislang nichts zuschulden kommen ließen, hofft sie, dass sie sich das Verfahren zur Warnung gereichen lassen. (*Namen geändert.) Hoga
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