Potsdam-Mittelmark: Botschafterin der Wärme
Vor fünf Jahren gründete Gabriela Schrader den Verein „Kindersorgen-Sorgenkinder“, jetzt bekam sie dafür eine passende Ehrung
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Vor fünf Jahren gründete Gabriela Schrader den Verein „Kindersorgen-Sorgenkinder“, jetzt bekam sie dafür eine passende Ehrung Von Henry Klix Beelitz. Sie könnte ein Spätaussiedler-Projekt beantragen. Oder eines für die Behindertenbetreuung. Sie könnte als Tagesmutter oder in der offenen Jugendarbeit tätig werden. Und sie würde mit einem sauber abgezirkelten Konzept sicher auch einen Geldtopf anzapfen könne. Doch das würde ihr nicht reichen. Und so macht Gabriela Schrader mit ihrem Verein „Kindersorgen-Sorgenkinder“ eben alles. Passt dabei in kein Förderprogramm. Rettet sich bei der Finanzierung von einem Monat auf den anderen. Hält den Laden teilweise vollkommen unentgeltlich am Laufen. Und hat bei allen finanziellen Nöten vor einem keine Angst: jemals arbeitslos zu werden. „Für mich gibt es genug zu tun.“ Vor fünf Jahren wurde der Verein gegründet. Gabriela Schrader erinnert sich, wie es dazu kam: Als Familienhelferin hatte sie drei Jahre lang eine Frau begleitet, die ihren Mann durch einen Verkehrsunfall verloren hatte und nicht mehr wusste, wie es mit ihr und den vier Kindern weiter gehen soll. Schrader sprang ein, lernte all die Hürden kennen, die auf dem Weg zur staatlichen Unterstützung aufgestellt sind, spürte die Ängste, die für die Betroffenen in schweren Lebenssituationen damit verbunden sind, in langen Fluren Klinken zu putzen oder verklausulierte Formulare zu entschlüsseln. Und sie erfuhr, wie unverhältnismäßig oft das Ergebnis ist. In einem Moment der Frustration kündigte sie. Um es gleich wieder zu bereuen. Sie schilderte ihre Lage der Kinderärztin Dagmar Trebuth. Mit einigen Mitstreitern wurde der Verein aus der Taufe gehoben. Schnell zeigte sich, wie groß der Bedarf nach unkomplizierter Hilfe ist. Inzwischen kennt Schrader eine ganze Reihe ähnlicher Schicksale wie das der Witwe. Anfangs drei kommen heute täglich 15 bis 20 Kinder sozial benachteiligter Eltern in die Virchowstraße 100, die die Stadt dem Verein zur Verfügung stellte. „Und alle kommen freiwillig“, betont Schrader. Als gelernte Krankenschwester qualifizierte sie sich zur Tagesmutter und zur Heilpädagogin. Als Mutter von vier Kindern ist sie ohnedies mit vielen kindlichen Krisensituationen vertraut. Wenn es Streit gibt und Tränen fließen, taucht Schrader kurz in die wirbelnde Kinderschar, spricht ein paar beruhigende Worte, woraufhin die Kinder von sich aus schlichten und Trost spenden. Nach der Schule warten in der Virchowstraße Ansprechpartner und Freunde, ein oft von den Besuchern selbst gemachtes, warmes Essen für 30 Cent und Möglichkeiten zum Spielen. Beim monatlichen Austragen der Beelitzer Nachrichten lernen die Kinder, was im Elternhaus oft nicht ins Bewusstsein rücken kann: Dass man etwas tun muss, wenn man ins Kino oder ins Schwimmbad will. Schrader hilft den Eltern vormittags bei Behördengängen und den nötigen Schritten, um zum Beispiel Lernschwächen zu diagnostizieren. Sie nimmt kleine Kinder stundenweise in die Obhut, wenn auf die arbeitslosen Mütter Erledigungen warten. Sie sammelt alte Kleider und Geschirr und gibt sie weiter. Und dass es in Beelitz eine „Tafel“ gibt, ist Schraders zu verdanken. Mit den wöchentlicher Spenden von Edeka und Rewe kommt manche Großfamilie ohne sichere Einkünfte seit einem Jahr etwas besser über die Runden. Am Freitagabend wurde Schrader mit zehn weiteren, sozial besonders engagierten Menschen aus Ostdeutschland eine besondere Ehre zuteil: Von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse wurde die 44-Jährige zur „Botschafterin der Wärme“ ernannt. Eine Anrede, die zu ihr passt. Der jährlich verliehene Botschaftertitel geht auf einen Vorschlag von Regine Hildebrandt zurück. Und er ist mit einem kleinen, befristeten Zuschuss verbunden. Bevor es für Gabriela Schrader heißt, wieder zur Tagesordnung überzugehen und möglichen Geldgebern immer wieder aufs Neue „Kindersorgen–Sorgenkinder“ zu erklären. Obwohl es doch eigentlich so einfach klingt.
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