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Gunter Demnig bei einer Stolperstein-Verlegung in Potsdam.

© Manfred Thomas

Potsdam-Mittelmark: Braune Flecken der Stadtgeschichte

In Teltow soll im Oktober mit der Verlegung der ersten von 18 Stolpersteinen begonnen werden

Stand:

Teltow - Im Oktober wird der Künstler Gunter Demnig auch nach Teltow kommen, um in der Stadt Stolpersteine zu verlegen. Das Kunstprojekt, für das Demnig schon über 28 000 Steine in 600 europäischen Städten verlegt hat, erinnert an die, die von der NS-Diktatur verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Rolf Dieter Bornschein, Initiator des Teltower Projektes, stellte kürzlich im Sozialausschuss das Vorhaben vor, das sich an eine Rathausausstellung vom Jahresanfang anschließt. Titel: „Sie waren unsere Nachbarn - Jüdisches Leben in Teltow bis 1945“.

Bislang war das Kapitel weitgehend ein weißer Fleck in der Stadtgeschichte. Das Zögern um diese Aufarbeitung wurde noch vor Jahren damit begründet, dass der Streit um die Rückgabe jüdischen Eigentums an die Erbengemeinschaft Sabersky eine sensible Angelegenheit sei, die erst abgeschlossen werden müsse. In der Ausstellung wurden schließlich die braunen Flecken der Stadtgeschichte sichtbar. Im Sommer wird nachträglich ein Katalog zur Ausstellung erscheinen, der neben den recherchierten Lebensläufen auch viele Fotos und Reproduktionen von Dokumenten enthält, darunter zum Beispiel das Schreiben des jüdischen Händlers Walter Zehden an die Teltower Baupolizei aus dem Jahre 1935.

Das Papier offenbart die Schikanen des Amtes, das Zehden aufforderte, eine massive Laube auf seinem Grundstück, Kleiststraße 13, abzureißen, weil sie statt fünf Meter nur 4,45 Meter vom Wohnhaus entfernt sei. Das Gebäude stand zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre auf dem Grundstück.

Die Historikerin Gabriele Bergner, Leiterin des Rechercheteams und ihre Mitstreiter hatten es bei der Recherche nicht immer leicht. Mühsam wie ein Puzzle trugen sie die Daten zu den Lebenswegen von 18 ehemaligen Teltower Mitbürgern aus Archiven und Bibliotheken zusammen. Nur wenige Zeitzeugen konnten noch befragt werden, aber über das Internet war es in einigen Fällen möglich, Kontakte zu Kindern und Enkelkindern herzustellen. Die meisten von ihnen, so Bergners Eindruck, schienen schon lange auf eine solche Nachfrage gewartet zu haben. So antwortete eine 92-jährige Dame auf eine Anfrage euphorisch: „Ich könnte vor Freude in die Luft springen!“

Zitiert werden in dem Katalog auch Auszüge aus den Lebenserinnerungen des ehemaligen AEG-Direktors und Kommerzienrates Paul Mamroth, der in Seehof wohnte und nach dem Verlust vieler seiner beruflichen Funktionen und Ehrenämter 1935 resigniert feststellte: „Das Schicksal hat uns Ehemaligen die geruhsame Ernte unseres Lebens nicht vergönnt ...“.

Die Entrechtung mit Tätigkeitsverboten dokumentiert auch das Schicksal von Ernst Valentin, eines jüdischen Ingenieurs, Autokonstrukteurs und Verlegers, der seit Mitte der 20er Jahre in Ruhlsdorf lebte. Seinen 1914 gegründeten Zeitschriftenverlag für Technik und Autobau musste er 1934 an die „Union Verlagsgesellschaft“ verkaufen. Ein Jahr zuvor war er aus der „Automobiltechnischen Gesellschaft“ ausgeschlossen worden.

Mit dem Katalog, der 18 Lebenswege nachzeichnet, hat das Team des Stolpersteinprojektes auch der Stadt Teltow ein Kapitel ihrer Geschichte zurückgegeben. Die Recherchen werden fortgesetzt, erklärte Gabriele Bergner gegenüber den PNN. Für wen im Herbst ein Stein verlegt wird, ist noch nicht entschieden. Fest stehe aber, so Bergner, dass auch für Emigranten Steine verlegt werden sollen.

Für den Katalog werden Bestellungen unter gabriele.bergner@online.de angenommen oder Tel. (03328) 338 579.

Kirsten Graulich

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