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Potsdam-Mittelmark: Brenzlige Situationen

Im ADAC-Fahrsicherheitszentrum Linthe bereiten sich Fahrer von Havelbus auf den Extremfall vor

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Linthe - Vollbremsung bei 50 Stundenkilometern auf regennasser Straße. Busfahrer Marian Strebe tritt das Pedal voll durch – plötzlich sieht er ein Hindernis auf der Fahrbahn. Mit gefühlvollen Lenkbewegungen kann der 19-jährige Auszubildende der Havelbus-Verkehrsgesellschaft im letzten Moment ausweichen. Wenige Meter später bringt er den 18 Tonnen schweren Mercedes-Bus zum Stehen. Über Funk kommt das Lob vom Trainer Marko Wist: „Der junge Fahrer hat die Situation routiniert gemeistert.“

Bruchteile von Sekunden entscheiden im Ernstfall über das Leben und Gesundheit vieler Fahrgäste. Um für einen solchen Moment gewappnet zu sein, trainieren zehn Havelbus-Fahrer am Montag auf dem Parcour des ADAC-Fahrsicherheitszentrums Linthe unter realitätsnahen Bedingungen. Der plötzlich einsetzende Regen sprudelt aus Düsen links und rechts der Fahrbahn. Das Hindernis sind diesmal nur drei kleine rot-weiße Kegel. Doch die Fahrgäste – in diesem Fall die Kollegen von Marion Strebe – bekommen einen Eindruck davon, welche Kräfte bei der Bremsung und dem Ausweichmanöver im hinteren Teil des Busses wirken.

Die Havelbus-Verkehrsgesellschaft verfügt über 248 Fahrzeuge – die größte Busflotte im Land Brandenburg und eine der jüngsten. Im Durchschnitt sind die Busse 6,8 Jahre alt. Ausgerüstet sind sie mit Antiblockiersystem (ABS), Antischlupfregelung (ASR) und in vielen auch schon mit einem Elektronischen Stabilitätssystem, das bei Schleudergefahr blitzschnell eingreift. „Dennoch bleiben die Fahrer der entscheidende Faktor für die Sicherheit der Passagiere“, sagt Havelbus-Personaltrainer Andreas Plessow. Intuitiv müssen sie in brenzligen Situationen richtig handeln – so wie Marian Strebe.

„Die Technik des Busses funktioniert gut, der Hinweis des Fahrlehrers, auf nasser Fahrbahn möglichst wenig zu lenken, war wichtig“, sagt der 19-Jährige nach bestandener Bewährungsprobe. Aufregung ist ihm nicht anzumerken. Als Auszubildender im dritten Lehrjahr lenkt er bereits Linienebusse durch die Blechlawine der Landeshauptstadt oder auf den Straßen des Umlands. Extremsituationen – wie am Montag in Linthe simuliert – hat er dabei noch nicht erlebt. Doch täglich gibt es Herausforderungen. „Mich ärgern vor allem Pkw-Fahrer, die keine Rücksicht nehmen, wenn der Bus aus der Haltestellenbucht fährt“, sagt Strebe.

Laut Pressesprecher Christian Knappe hat es bei Havelbus in den vergangenen Jahren keine Unfälle mit gravierenden Personenschäden gegeben. Aufmerksam registriere man jedoch die Medienberichte von schweren Busunfällen wie unlängst in der Schweiz, bei dem 28 Menschen ums Leben gekommen sind. „Das war jedoch nicht der aktuelle Anlass für unser Fahrsicherheitstraining“, sagt Knappe. Vielmehr übe man jetzt bereits das neunte Jahr mit erfahrenen Busfahrern und Auszubildenden des dritten Lehrjahres in Linthe.

Wichtig ist auch, dass die Busfahrer hier einmal in die Rolle des Fahrgastes schlüpfen. Das wird auf der nächsten Station im Rundkurs besonders deutlich. Wie im Karussell zieht der Bus mit 40 Stundenkilometern hier die Kurven. Der Trainer forderte die mitfahrenden Berufskraftfahrer auf, aufzustehen und nach hinten in den Bus zu gehen. Nur mit Mühe können sich die gestandenen Männer festhalten. „So etwa fühlt es sich an, wenn ein Bus auf der Nutheschnellstraße zu heftig die Abfahrt Wetzlarer Straße nimmt“, sagt Marko Wist.

Dann geht es zur schwierigsten Station. Eine sogenannte hydraulische Dynamikplatte auf der Fahrbahn bringt das Heck des Busses beim Überfahren zum Ausbrechen – so wie es bei einem geplatzten Reifen oder auf einer Ölspur leicht passieren kann. Auch diesen abschließenden Test bestehen die Havelbusfahrer. Doch sie wissen, dass sich in der Praxis nicht jeder Unfall verhindern lässt. „Dann gilt es den Schaden zu reduzieren und kräftig auf der Bremse zu bleiben.“ Dieser Satz von Trainer Marko Wist bleibt in Erinnerung.

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