Potsdam-Mittelmark: Brötchen backen in Italien
Informationstag am Oberstufenzentrum: Deutsche Azubis sollen gereift aus Europa zurückkehren
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Teltow - Europa macht erfahren. Europa erweitert den Horizont. Europa macht selbstständig. Laura Kapp hat das schon oft erlebt bei den deutschen Azubis, die sie ins Ausland geschickt hat. Sie fuhren ab, waren unselbstständig und unsicher. Doch ein paar Wochen später, nach ihrer Arbeit in italienischen, spanischen oder französischen Unternehmen, waren viele kaum wiederzuerkennen. Ein Praktikum im Ausland, sagt die junge Mobilitätsberaterin der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK), lohnt sich für beide Seiten, Lehrlinge und Unternehmen. Doch trotz guter Fördermöglichkeiten schicken immer noch zu wenige Firmen ihren Nachwuchs auf Reisen.
Wie weit Europa auch für die Schüler des Oberstufenzentrums in Teltow entfernt ist, konnte man am Dienstagvormittag in der Schule erleben. Im Rahmen des Europatages wurde über Leben und Arbeit in der Union gesprochen. Doch für einige war es schon schwer, zumindest die ungefähre Einwohnerzahl und die Zahl der Amtssprachen in Europa zu schätzen: „Na wir sind doch 16 Bundesstaaten?“, hallte eine Antwortfrage durch den Raum, gefolgt von der geschätzten Einwohnerzahl von 100 000. Aber man kann ja lernen: Es sind 23 Sprachen und 739 Millionen Menschen. „Für die meisten Schüler hat Europa bislang nur im Urlaub eine Rolle gespielt“, erklärte Schulleiter Henri Danker. Das sollte sich mit dem Informationstag ändern.
Europa ist im Arbeitsalltag der Unternehmen angekommen, berichteten da etwa Marc Tiedemann vom Elektrotechnik Unternehmen NDB und Stephan Leschke vom Teltower IT-Unternehmen Ferrari Electronic. Während Leschke in der Kooperation mit dem Softwaregiganten Microsoft weltweit moderne Faxtechnik installiert und dabei um seine guten Leute bangen muss – sie würden auch schon mal kurzerhand abgeworben – schickt Tiedemann seine Azubis bereits regelmäßig zur Praxiserprobung nach Italien. Es gehöre eben mittlerweile zum Geschäftsalltag, dass seine Kunden, wenn sie gute Erfahrungen machen, auch bei der Expansion im Ausland gerne wieder auf sein Unternehmen zurückgreifen. „Je größer die Kunden, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Kunden einen mitnehmen“, sagt Tiedemann. Polen, England, Antwerpen, Menorca. Die Liste der Auslandseinsätze des Unternehmens wird immer länger.
Deshalb sei es umso wichtiger, den eigenen Nachwuchs mit Auslandspraktika auf die Einsätze in der EU vorzubereiten, sagt auch Jeanette Kuplin, Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Potsdam. Bereits seit vergangenem Jahr wirbt ihre Einrichtung neben der IHK für die Praktika im Ausland. 62 Azubis habe die Handwerkskammer im Jahr 2012 vermittelt. Eine vergleichsweise niedrige Zahl, klingt doch das Angebot nicht schlecht: Flug und Unterkunft der Praktika werden über das sogenannte Leonardo-da-Vinci-Programm finanziert, für einen Eigenanteil zwischen 100 und 500 Euro kümmern sich spezielle Agenturen um den Rest. Das Unternehmen muss lediglich den Lohn fortzahlen. „Viele Chefs haben Angst, dass sie ihren Lehrlingen einen Urlaub bezahlen“, sagt Kuplin. Doch ganz im Gegenteil. In dem mindestens drei Wochen, maximal 9 Monate langen Auslandsaufenthalt reifen die Azubis. „Sie kommen zurück und bringen eigene Ideen mit“, sagt Kuplin. Brötchen backen in Italien, Kuchen zaubern in Spanien, Haare schneiden in Frankreich. Möglichkeiten für einen Auslandsaufenthalt gebe es für fast jede Branche, sagt Kuplin. Auch angehende Metallbauer, Elektroniker, Automechaniker, Fachinformatiker oder Veranstaltungsmanager wurden schon vermittelt.
Auch der 21-jährige Thomas Hölzl kann sich noch gut an seinen Auslandsaufenthalt erinnern. Der Mediengestalter im zweiten Lehrjahr am Teltower Oberstufenzentrum verbrachte gleich zwei Monate im schottischen Glasgow und arbeitete dort in der Vorproduktion eines Films. Nun nach seiner Ausbildung an der Uni Potsdam wieder ins Ausland zu gehen, scheint für ihn eine attraktive Option. „Es ist sogar mehr als eine Option“, sagt Hölzl. Das schottische Unternehmen hätte ihn am liebsten schon bei seiner Abreise gleich behalten. Wer weiß, sagt Hölzl, vielleicht ist er ja bald wieder dort. Tobias Reichelt
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