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Potsdam-Mittelmark: Brücke des Muts

Wie stark ist die Zivilgesellschaft? Der Kampf gegen Rechts trifft in Werder einen seniblen Nerv

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Werder (Havel) - Manchmal kommt die Theorie nach der Praxis: Mit dem Begriff „Zivilgesellschaft“ wird gemeinhin die ehrenamtliche Arbeit von Menschen in Vereinen, Stiftungen und Körperschaften zusammengefasst. Eine „Schule der Demokratie“ kann sie sein, Werte wie Toleranz und Gewaltfreiheit vermitteln. In Werder werden viele Aspekte von Zivilgesellschaft längst erfüllt – zu dieser Erkenntnis gelangten die Bürger, als am Dienstagabend der Magdeburger Politologe Roland Roth das Thema aus wissenschaftlicher Sicht erörterte.

Der Einladung des Aktionsbündnisses Kurage zu dem Diskussionsabend waren neben Bürgern auch Stadtverordnete und die Verwaltungsspitze mit Bürgermeister Werner Große und dem ersten Beigeordneten Hartmut Schröder (beide CDU) gefolgt – insgesamt kamen etwa 50 Gäste. „Hier mangelt es nicht an bürgerschaftlichem Engagement“, unterstrich Kurage-Vorsitzender Uwe Dinjus eingangs und verwies auf die vielen Vereine in der Blütenstadt, in denen sich jeder fünfte Werderaner engagiert. Doch könnten diese Vereine in manchen Punkten enger miteinander zusammenarbeiten. „Kurage sieht sich dafür als Plattform.“

Das Aktionsbündnis hat Themen wie den Kampf gegen Rechts auf der Agenda und trifft damit einen sensiblen Nerv. So müssen die Mitglieder immer wieder unterstreichen, dass es nicht darum gehe, die Stadt in eine rechte Ecke zu stellen, sondern Präventionsarbeit zu leisten – indem man die Zivilgesellschaft stärkt.

Die Grundvoraussetzungen dafür erläuterte Roland Roth: eine breite Öffentlichkeit, Vereine, die für jedermann offen sind, ein Mitbestimmungsrecht für die jeweiligen Mitglieder und eine vernünftige Streitkultur. „Auseinandersetzungen müssen geführt werden, damit man sich auf gemeinsame Grundlagen einigen kann.“

Doch manchmal traue er sich gar nicht zu streiten, so Bürgermeister Große, der die öffentliche Diskussion über die Schlägerei am 17. Mai ansprach, bei der zwei farbige Deutsche als „Nigger“ beschimpft und verprügelt wurden. Zu schnell sei von einem rassistischen Übergriff die Rede gewesen, sagte er.

Eine denkwürdige These: Von Anfang an wurde wegen eines möglichen fremdenfeindlichen Hintergund ermittelt – auch wenn er wohl nicht die einzige Ursache für die Auseinandersetzung war. Monatelang hatte die Polizei gepokert, bevor der Vorfall erst Anfang September durch PNN-Recherchen überhaupt bekannt wurde.

Bürgermeister Große findet: „Man hätte abwarten müssen, bis der Vorfall geklärt ist.“

Dass man über das Thema reden und auch streiten müsse, unterstrich Politikwissenschaftler Roth. Er beschrieb Rechtsextremismus als das genaue Gegenteil von Zivilgesellschaft: „Verherrlichung von Gewalt, das Recht des Stärkeren und die Ungleicheitsideologie – dem muss man entgegen wirken.“ Die Mitgliedschaft in einem Verein könne viel bewirken: „Hier merkt ein Mensch, dass er mitbestimmen kann und etwas bewirkt.“ Er „lerne“ Demokratie und werde so weniger anfällig für rechte Ideologien. Dies sei allerdings ein langer Lernprozess.

Im Hinblick auf die Stärkung der Werderaner Zivilgesellschaft hatte der Experte den Rat, dass alle mit ins Boot geholt werden müssen, von der lokalen Wirtschaft über Schulen und die Polizei bis hin zum Bürgermeister. Dafür müssten alle aufeinander zugehen. „Bridging“, so der englische Fachbegriff dafür – oder zu Deutsch: Brücken bauen.

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