
© T.Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Buch statt Fleisch
Vanessa Arend-Martin hat in Teltow wieder einen Buchladen eröffnet
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Teltow - Fleisch gibt es hier nur noch in Papierform: „Räuchern, Pökeln, Wursten. Ein Praxisbuch für Schwein, Rind, Wild und Geflügel.“ Lächelnd steht Vanessa Arend-Martin in der Mitte ihres Buchladens in der Breiten Straße in Teltow. Zwar sind die langen Metzgermesser und die Kühltheken aus dem Laden längst verschwunden, die Historie des Hauses in der Altstadt bleibt unübersehbar: Reich verzierte Jugendstilfliesen bilden den Hintergrund für Bücherregale, die fast bis an die Decke reichen. Über 90 Jahre gingen hier Eisbein und Schinken über die Theke – jetzt ist es Literatur, manchmal auch zum Thema Fleisch und Wurst.
Vor über einem Jahr hat sich Vanessa Arend-Martin in Teltows historischer Altstadt ihren Traum vom eigenen Buchladen verwirklicht. Das kleine gemütliche Geschäft ist inzwischen ein beliebter Treffpunkt für die Leseratten der Stadt geworden. Allen Unkenrufen und der Krise der Buchhändler zum Trotz kann die 38-Jährige auf ihre Kundschaft zählen. „Ich habe Zuwächse“, sagt die zierliche Geschäftsinhaberin.
Viele Teltower würden den Laden noch als Fleischerei Haseloff kennen. Dort, wo bis Mitte der 90er die Kundschaft auf Fleisch wartete, wird heute in Büchern geschmökert, zum Beispiel in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ oder in „Liebes Leben“ von Alice Munro.
„Buch statt Fleisch“, sagt Vanessa Arend-Martin. Nur knapp 20 Quadratmeter ist der Verkaufsraum des „Buchkontors Teltow“ groß. Neun lange Schritte genügen, dann hat man den schmalen Gang zwischen Regalen, Verkaufstisch und Theke abgelaufen. Platz zum Lümmeln und Schmökern gibt es im Hinterraum. Auf einer kleinen Couch können Buchliebhaber zwischen Kissen und Kerzen neben dem Bürotisch der Geschäftsinhaberin in den Werken blättern und sich bei einem Kaffee mit der Chefin austauschen – denn das ist es, was der zweifachen Mutter in ihrem alten Job als Buchverkäuferin gefehlt hat, sagt sie.
14 Jahre hatte Vanessa Arend-Martin beim Buchhändler Hugendubel gearbeitet. Doch das Betriebsklima dort habe sich zuletzt verschlechtert. Weihnachtsfeiern und Sommerfeste fielen aus, die Kundschaft wurde unfreundlicher: Niemand hatte mehr Zeit, alle waren im Stress.
„Vielleicht war es Idealismus“, sagt sie, aber sie wollte es mit einem eigenen Laden probieren und in Teltow gab es schließlich keinen mehr. Ihr Geschäft laufe inzwischen. „Nur aus Liebhaberei hätte ich es nicht gemacht.“ Das Bewusstsein, lokale Geschäfte zu unterstützen, setze sich durch, sagt die Buchhändlerin. Zudem wird sie von der Stadt unterstützt und verkauft die Schulbücher und Arbeitshefte der Ober- und Grundschulen. Einige ihre Kunden kämen sogar mit der Wunschliste des Internethändlers Amazon zu ihr, um dann bei ihr die Bücher zu bestellen. Die Lieferung erfolgt genauso schnell: Wer bis 18 Uhr bestellt, kann am nächsten Tag schon schmökern. Nur am Wochenende gibt es keine Lieferungen.
Zudem gibt es in dem Buchladen regionale Kostbarkeiten, wie Manfred Pieskes gesammelte Teltow-Anekdoten – ein Buch, das die Händlerin wegen der Nachfrage neu drucken lassen musste. Auch mit Lesungen macht sie auf sich aufmerksam: So kommt am 31. Januar die Kochbuchautorin Michaela Barthel aus Großbeeren vorbei. Sie hat nach einer schweren Krankheit begonnen, Ernährungsbücher zu schreiben. Zur Lesung gibt es Kostproben. Tobias Reichelt
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